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„Steadtfast Defender 2024“ – Angriff oder Verteidigung?
„Steadfast Defender 2024“ ist mit 90.000 Soldaten aus 31 Mitgliedsländern das größte Nato-Manöver seit Ende des letzten Kalten Krieges und richtet sich im Gegensatz zu früheren Großmanövern ausdrücklich gegen die Russische Föderation.„Steadfast defender 2024“ wird uns mit propagandistischer Penetranz als notwendige Reaktion auf einen Krieg verkauft, der allerdings, wie die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz in ihrem Buch „Eiszeit“ schreibt, „hätte verhindert werden können, hätte der Westen einen neutralen Status der Ukraine akzeptiert (wozu Selenskyj anfangs durchaus bereit war), auf eine NATO-Mitgliedschaft verzichtet und das Minsk-II-Abkommen für Minderheitenrechte der russischsprachigen Bevölkerung durchgesetzt. Der Krieg hätte Anfang April 2022 beendet werden können, hätte der Westen den Abschluss der Istanbul-Verhandlungen zugelassen.“
Keine Frage, die russische Führung hat mit dem Überfall auf die Ukraine völkerrechtswidrig gehandelt. Doch mit der Behauptung, sie werde nach einem Sieg über die Ukraine auch die Nato angreifen, unterstellt man ihr einen Größenwahn, der in der jüngeren Geschichte dem deutschen Imperialismus vorbehalten war.
Gleichwohl drängt Dänemarks Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen auf die Beschleunigung militärischer Investitionen, da „neue Erkenntnisse“ darauf hindeuten sollen, dass Russland schneller als erwartet aufrüste, um innerhalb von drei bis fünf Jahren „die Solidarität der Nato auf die Probe“ zu stellen, also anzugreifen. Reuters zitiert den Minister wie folgt:
"Es ist nicht auszuschließen, dass Russland innerhalb von drei bis fünf Jahren Artikel 5 und die Solidarität der NATO auf die Probe stellen wird. Das war nicht die Einschätzung der NATO im Jahr 2023. Dies ist eine neue Erkenntnis, die jetzt in den Vordergrund rückt."
Russland und die Sowjetunion wurden 1812 von der napoleonischen Armee, 1914 vom Deutschen Reich und 1941 von der faschistischen deutschen Wehrmacht überfallen, was Frank-Walter Steinmeier (SPD) als präsidialer Kriegspropagandist am 28. Oktober 2022 nicht daran gehindert hat, Russland zu dämonisieren, indem er davon sprach, „im Angesicht des Bösen“ reiche „guter Wille nicht aus“. Womit er die Bereitschaft erkennen ließ, alles über Bord zu werfen, „was wir aus unserer Geschichte gelernt und in den letzten Jahrzehnten aus dieser Erfahrung heraus in unserer Außen- und Sicherheitspolitik angewendet haben“, wie der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat wiederholt beklagt.
Der Plan, nach der Sowjetunion auch Russland in ein erneutes Wettrüsten zu zwingen, um es ökonomisch und politisch zu destabilisieren, zeigt die Hybris politischer Akteure auf beiden Seiten des Atlantiks, der wohl auch Dr. Margarete Klein und Dr. Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik verfallen sind. In SWP-Aktuell 2023/A 44 vom 29.06.2023 unter dem Titel „Dauerhafte Sicherheit für die Ukraine“ präsentieren sie „Drei Optionen für Sicherheitsgarantien“, in deren erste sie kriegerisch aufs Ganze gehen:
„Die erste Option besteht in der Demilitarisierung Russlands. Dazu wäre eine Reduzierung der Streitkräfte und der Rüstungsindustrie auf ein Maß nötig, das Selbstverteidigung gestattet, aber keine Offensivoperationen. Flankiert werden müsste dies durch eine Demilitarisierung der strategischen Kultur. Diese verändert sich indes nur über langfristige Sozialisationsprozesse oder externe Schocks. Für Letzteres wäre eine eindeutige Niederlage gegen die Ukraine notwendig, und die russische Führung und Bevölkerung müssten ihr neoimperiales Rollenverständnis aufgeben. Dafür sind ein Regimewechsel und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der hegemonialen Vergangenheit unumgänglich. Aber selbst dann könnte sich die Ukraine nur bei einer gleichzeitigen Denuklearisierung des russischen Militärpotentials sicher fühlen.“
Mit „Steadfast Defender 2024“ bereiten sich „die westlichen Länder“, wie der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses Rob Bauer in sprachlicher Nähe zu Joseph Goebbels zum Besten gab, „auf einen totalen Krieg mit Russland“, also auf die atomare Vernichtung Europas vor. Dabei wird nicht nur das im Grundgesetz verankerte Gebot, „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“, missachtet, sondern auch die Präambel der Charta von Paris, in der es heißt:
„Wir, die Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, sind in einer Zeit tiefgreifenden Wandels und historischer Erwartungen in Paris zusammengetreten. Das Zeitalter der Konfrontation und der Teilung Europas ist zu Ende gegangen. Wir erklären, daß sich unsere Beziehungen künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gründen werden.“ (Charta von Paris für ein neues Europa, Paris 1990)
In der Sicherheitscharta der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, 1999 in Istanbul als Schlussdokument des OSZE-Gipfelkonferenz von 55 europäischen, asiatischen und amerikanischen Staaten verabschiedet, heißt es:
„Wir müssen Vertrauen zwischen den Menschen innerhalb der Staaten schaffen und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten vertiefen (…) Gleichzeitig werden wir verstärkte Anstrengungen unternehmen, um mehr Vertrauen und Sicherheit zwischen den Staaten zu schaffen.“
Doch kaum war die Tinte unter dem Schlussdokument getrocknet, wurde die OSZE-Charta mit der ersten Runde der insgesamt 5 NATO-Osterweiterungen demonstrativ entsorgt. Nachdem die USA mit der Kündigung des ABM-Vertrags (2002), der Kündigung des INF-Vertrags (2019) und der Kündigung des Open-Sky-Vertrags (2020) lange vor Beginn des Ukraine-Krieges die globale Sicherheitsarchitektur zertrümmert haben, soll nun der militärische Ring um die Russische Föderation geschlossen werden. Mit einer Aufnahme der Ukraine wäre Russland unmittelbar dem Zugriff der Nato ausgesetzt, die Vorwarnzeit für einen nuklearen Angriff durch den Einsatz von Hyperschallraketen auf wenige Minuten reduziert und die russische Armee der atomaren Zweitschlagfähigkeit beraubt, womit das Risiko einer atomaren Eskalation enorm gesteigert würde.
Von der Nato großspurig als „größtes Manöver seit dem Kalten Krieg“ angekündigt, wird „Steadfast Defender 2024“ knapp vier Monate lang mit 90.000 Soldaten, über 50 Kriegsschiffen, 80 Jagdflugzeugen, einer Vielzahl an Hubschraubern und Drohnen und mindestens 1.100 gepanzerten Fahrzeugen eine enorme Menge an CO2-Emissionen freisetzen, was eine Kooperation von Ökologie- und Friedensbewegung dringend erfordert.
„In einer Zeit der multiplen und sich gegenseitig verstärkenden Krisen zwischen ökologischen Zukunftsgefährdungen (Artensterben, Meeresverschmutzung, globalen Klimaveränderungen, Verlust von Humusboden, Waldzerstörung, Krankheiten, Wassermangel, Überflutungen) einerseits, ökonomischen Unsicherheiten und militärischen Spannungen andererseits – in einer solchen Zeit ist eine globale Kooperation zur Bewältigung der Krisen das einzig zu verantwortende Vorgehen – im Gegensatz zu Abschreckung, Hoch- und Atomrüstung“, schreibt dazu Bernhard Trautvetter am 22.01.2024 auf Nachdenkseiten.de.
Mit „Steadfast Defender 2024“ wird Deutschland als logistische Drehscheibe für die kommenden Kriege in Europa etabliert.
Passend dazu wurde ein streng geheimer »Operationsplan Deutschland« der Bundeswehr erstellt, über den dpa unter Bezug auf ein Gespräch mit dem Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos, Generalleutnant André Bodemann, inzwischen informieren durfte, um das streng Geheime behutsam in den öffentlichen Diskurs einzustreuen. Danach bekommt Deutschland, wie Jörg Kronauer am 26. Januar in der Tageszeitung Junge Welt schreibt, „erstmals seit dem Ende des Kalten Kriegs einen »Verteidigungsplan« für einen möglichen Krieg mit detaillierten Vorgaben für militärische wie auch zivile Stellen. (…)
Militärisch nimmt Deutschland im »Operationsplan« die Funktion einer Art Drehscheibe für den Transport von NATO-Truppen und -Geräten an eine Front in Osteuropa ein. Dabei müssen die durchziehenden Einheiten untergebracht und versorgt werden. Das wurde bereits in den »Defender«-Manövern geprobt. Weil davon ausgegangen wird, dass ein Großteil der regulären Bundeswehr-Soldaten an der Front im Osten kämpft, müssen die dazu nötigen Tätigkeiten von »Heimatschutzregimentern« übernommen werden, die vor allem aus Reservisten bestehen. Die Bundeswehr baut zur Zeit sechs davon auf, möglicherweise sind mehr erforderlich. Zusätzlich sollen Privatunternehmen eingebunden werden und den nach Osten marschierenden Truppen etwa Treibstoff liefern, dies auch unter Nutzung ihres eigenen Geräts. Faktisch stockt die Bundeswehr damit im Fall einer ernsten Krise oder eines Kriegs ihre Personal- und Materialbestände unter Rückgriff auf zivile Ressourcen auf.
„Kriegstüchtig“ sollen wir werden, fordert der deutsche Verteidigungsminister Pistorius. So lächerlich der Begriff auch klingen mag, er bewegt sich in gefährlicher Nähe zur wilhelminischen „Kriegsbegeisterung“. Zwar kann Pistorius mit seiner martialischen Performance im niedersächsischen Panzerübungsdreck im Ranking der wichtigsten Politiker Deutschlands immer noch die höchsten Zustimmungswerte einfahren, die „Zahl der Soldaten“ geht aber laut Weserkurier vom 03.02.2024 kontinuierlich zurück, was zeigt, dass der männliche Nachwuchs nicht allzu scharf darauf ist, den Russen und – wer weiß? – auch den Chinesen Auge in Auge auf dem Schlachtfeld zu begegnen, weshalb die Sesselkriegerinnen und -krieger der Ampelkoalition in trauter Eintracht mit CDU, CSU und AfD auf die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht – in welcher Form auch immer - drängen.
250 Millionen Euro wurden 2023 für Truppenübungen nutzlos verpulvert, für 2024 sind 310 Millionen eingeplant. Dazu schreibt Sevim Dagdelen (BSW) am 05.02.2024 in Junge Welt:
„Der im Bundestag verabschiedete Haushalt der Ampelregierung für das Jahr 2024 ist die in Geld gegossene Handlungsmaxime in Richtung Krieg. Bildung, Bahn und Bau – überall kürzen SPD, Grüne und FDP. Bei Rentnern wird gestrichen, bei der Gesundheit, beim Müttergenesungswerk und der Jugendhilfe. Die Bauern müssen mehr für den Agrardiesel zahlen, und der Strom wird verteuert. Bei Armee und Aufrüstung aber buttert die Ampel richtig drauf. Von den Gesamtausgaben in Höhe von 477 Milliarden Euro in diesem Jahr geht fast jeder fünfte Euro in Waffen und Militär. Finanziert auch mit Kriegskrediten. Rund 90 Milliarden Euro, mehr als je zuvor seit 1945. Mit dabei die neuen Waffengeschenke an die Ukraine für den US-Stellvertreterkrieg, die auf acht Milliarden Euro verdoppelt wurden. Bezahlt wird mit Elend und Armut hier.“
standen da und sah’n sich an.
Und der arme sagte bleich,
wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.“
(Bertold Brecht, 1934)
Erstellt am: 23.02.2024