1. BIP-Aktuell #333 beschreibt die Hintergründe für den Waffenstillstand: (Link)
Der Waffenstillstand hätte zu denselben Bedingungen schon im Mai 2024 geschlossen werden können. Nur weil Netanyahu merken musste, dass er mit Trump keinen besseren ‚Deal‘ bekommen würde, lenkte er ein. Auszug: „Ben-Gvir enthüllte auch, dass er ein ganzes Jahr lang mit Netanjahu zusammenarbeitete, um ein mögliches Waffenstillstandsabkommen und einen Gefangenenaustausch zu sabotieren. Das beweist, dass es Israel und nicht die Hamas war, die das Abkommen blockierte. Auch Christian Meier bestätigt in der FAZ: „Tatsächlich gleicht die Vereinbarung, die am Mittwochabend in Qatar verkündet wurde, fast bis aufs Haar derjenigen, die der amerikanische Präsident Joe Biden Ende Mai vorgelegt hatte. Hätten die Kriegsparteien sie akzeptiert, wären mehr als hundert israelische Soldaten und viele Tausend Palästinenser vielleicht noch am Leben, wären Geiseln wie Hersh Goldberg-Polin womöglich nicht gestorben.“
Die Nahostexpertin Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik analysierte die Waffenstillstandsvereinbarung und kommt zu dem Schluss, dass Trumps Druck entscheidend war (DLF,17.1. 25) (Link).
BIP-aktuell berichtet auch über die steigende Zahl der Kriegsdienstverweigerer und deren Aussagen über Kriegsverbrechen, deren Zeuge sie wurden.
2. Petition für eine Anerkennung Palästinas – Chance für eine Friedenslösung: (Link)
Sabeel schreibt: Im Westjordanland hat Israel einem 21-jährigen palästinensischen Häftling, der an Krebs und Unterernährung leidet, medizinische Versorgung und Behandlung verweigert. Derzeit befinden sich 10.400 Palästinenser in israelischen Gefängnissen, nicht eingerechnet diejenigen, die während der letzten 15 Kriegsmonate aus Gaza inhaftiert wurden, und viele von ihnen sind aufgrund der Vernachlässigung und Folter durch israelische Behörden krank und unterernährt.
3. Auf 3SAT gab es am 21.1. einen ungewöhnlich ausgewogenen Beitrag (die ersten 12 Min.) „Kulturzeit“: Israel und Gaza: Hält die Waffenruhe? in welchem auch Muriel Asseburg von der Stifting Wissenschaft und Politik interviewt wird. Besonders am Schluß geht Muriel A. überaus deutlich auf die ganz aktuelle Situation im Westjordanland ein. Und sie kritisiert mit klaren Worten die Berichterstattung in unseren Medien in Bezug auf die unterschiedlichen Berichte über die israelischen Geiseln und die freigelassenen Palästinenser. https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/israel-gaza-wie-lang-haelt-die-waffenruhe-sendung-vom-21-01-2025-100.html
4. Am 21.1. in der FR: Brennendes Dorf im Westjordanland: Radikale Siedler rächen sich für Geisel-Deal
https://www.fr.de/politik/brennendes-dorf-im-westjordanland-radikale-siedler-raechen-sich-fuer-geisel-deal-93527531.html
Auszug:
Seit Tagen äußerten radikale Siedlergruppen ihren Zorn über die geplante Enthaftung von Palästinenser:innen im Zuge des Deals. Auch die Attacke am Abend zuvor war vorab angekündigt worden. Festnahmen gab es nach den Attacken am Montag vorerst keine, zwei der Täter kamen dabei aber zu Schaden: Die Israelis wurden schwer verletzt, als ein Polizist Schüsse abfeuerte – woraufhin der Polizist wegen unsachgemäßen Waffengebrauchs in vorübergehenden Hausarrest kam.
Der Polizist gab später an, er habe um sein Leben gebangt, da die Extremisten auch auf ihn losgegangen seien. Dass die gewaltbereiten Siedler vor Attacken auf israelische Sicherheitskräfte nicht zurückschrecken, ist bekannt und kommt immer öfter vor. Im Vorjahr trugen 17 Uniformierte bei solchen Angriffen durch gewaltbereite Siedler im Westjordanland sogar Verletzungen davon.
Gewaltsame Übergriffe auf palästinensische Dörfer im Westjordanland ereignen sich fast täglich. Konsequenzen gibt es kaum. Laut der israelischen Menschenrechts-NGO Yesh Din werden 94 Prozent der Ermittlungsverfahren nach Siedlergewalt ohne Anklageerhebung eingestellt. Opfer von Übergriffen zeigen die Taten daher oft erst gar nicht an.
5. ZEIT online am 22.1. : Israel startet großen Militäreinsatz im Westjordanland. Während die Waffenruhe im Gazastreifen anhält, eskaliert die Gewalt im Westjordanland. In Dschenin hat das israelische Militär eine Bodenoffensive begonnen. https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-01/israel-westjordanland-dschenin-militaereinsatz
6. Khalida Jarrar:
https://www.jungewelt.de/artikel/492356.gazakrieg-geschunden-aber-frei.html
Khalida Dscharrar ist eine wichtige Persönlichkeit in der marxistischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Sie hat sich vor allem als feministische Menschenrechtsaktivistin einen Namen gemacht. Sie wurde als Abgeordnete ins palästinensische Parlament in Ramallah gewählt und war von 1994 bis 2006 Direktorin der Gefangenenhilfsorganisation Addameer, die wie auch die PFLP in Israel als terroristische Organisation gebrandmarkt wird. Wegen ihrer Mitgliedschaft in der PFLP wurde sie mehrmals verhaftet.
Sie wurde im Dezember 2023 festgenommen und ohne Anklage oder Verurteilung in einer kleinen Zelle festgehalten. Sie schrieb:
»Ich sterbe jeden Tag«, schrieb Dscharrar im August in einem Brief, den ihr Anwalt nach draußen nahm. »Die Zelle ist wie eine kleine, geschlossene Box, in die keine Luft hineinkommt. Es gibt nur eine Toilette in der Zelle und ein kleines Fenster darüber, das später (…) geschlossen wurde. Sie ließen mir keinen Raum zum Atmen.« Sie ersticke in ihrer Zelle und »warte stundenlang, bis ich Sauerstoffmoleküle finde, um zu atmen und am Leben zu bleiben«.
Hier ein Bild, das Amnesty 2019 genutzt hat.
»Die israelischen Behörden übten alle Formen der Unterdrückung und Misshandlung gegen Khalida auf allen Ebenen aus, von Einzelhaft bis zu Hunger und Entzug der grundlegendsten Dinge des menschlichen Lebens«, stellte Amani Sarahna vom Palästinensischen Gefangenenverein gegenüber Anadolu fest.
Hier ein Bild nach Ihrer Freilassung am Montag.
7. Die christliche palästinensische Initiative KAIROS hat eine Erklärung zum Waffenstillstand abgegeben (s. Anlage)
8. Stimmen zum Waffenstillstandsabkommen: https://www.palestinemission.at/single-post/stimmen-zum-waffenstillstandsabkommen
„Zwei Stunden nachdem der Waffenstillstand Inkrafttreten sollte, tötete Israel 19 Menschen und verletzte 39. Israel beschloss, sich nicht an die Waffenstillstandsvereinbarung zu halten, weil die Hamas den Namen der drei Geiseln vor dem Waffenstillstand nicht bekannt gegeben hatte. Die Hamas nannte logistische Gründe als Begründung dafür. Kurzgesagt: innerhalb von zwei Stunden wurden 19 Menschen getötet und 39 verletzt, weil die Namen der Personen, die ohnehin bald freigelassen werden sollten, mit zweistündiger Verspätung mitgeteilt wurden.“
„Wie meine Gefühle waren, als ich die Ankündigung hörte? Ich sah das Glück der Menschen und ihre Freudentränen. Aber was mich selbst betrifft, als Journalist, als Mensch und als Palästinenser, der im Norden des Gazastreifens lebt, so habe ich widersprüchliche Gefühle, die von Freude bis Trauer reichen. Ich habe fast 250 Mitglieder meiner Familie verloren. Verwandte von Verwandten: meine Neffen, Nichten, Tanten, deren Söhne und Töchter, meine Onkel und deren Frauen und Kinder. Ich habe eine sehr große Zahl von Menschen verloren. Wir sind eine jener Familien, die in diesem genozidalen Krieg die meisten Toten zu beklagen haben.“ Bilal Salem, 37-jähriger Journalist aus Gaza City
„Die Familie meiner Frau gräbt in den Trümmern, um die Leichen von fünfzehn Verwandten zu bergen, die seit Oktober letzten Jahres unter ihrem zerbombten Haus begraben sind. Unter ihnen sind auch die drei Cousinen meiner Frau, eine dieser Cousinen wurde mit ihren beiden Kindern begraben.“ Mosab Abu Toha, palästinensischer Schriftsteller (19.01.2025)
„Und dann lese ich diesen Satz: „Darüber hinaus werden gemäß der Vereinbarung etwa tausend Gazaner, die seit dem 7. Oktober 2023 in Gaza inhaftiert waren und nicht an dem Massaker beteiligt waren und in Israel nicht strafrechtlich verfolgt wurden, freigelassen.“
Und mir wird klar, dass Israel im Grunde genommen tausend Geiseln aus dem Gazastreifen ohne Gerichtsverfahren entführt hat, nur um sie als Verhandlungsmasse zu benutzen. Und das, nachdem wir wissen, welche körperlichen und sexuellen Folterungen in israelischen Gefängnissen stattfinden.“
Tomer Dotan-Dreyfus, israelischer Schriftsteller (19.01.2025)