„Für den Kriegsfall optimal aufgestellt“

Mit einer Strukturreform führt Verteidigungsminister Pistorius die 2014 begonnene Ausrichtung der Bundeswehr auf einen Krieg gegen Russland fort. Militärische und zivile Elemente verschmelzen zunehmend.

Die deutschen Streitkräfte richten ihre interne Organisationsstruktur auf einen Krieg gegen Russland aus. Von der Reorganisation, die Verteidigungsminister Boris Pistorius zu Monatsbeginn angekündigt hat, erhoffen sich die Militärs „Kriegstüchtigkeit, Führungsfähigkeit und Wehrpflichtfähigkeit“. Ziel der Reform ist es Pistorius zufolge, „die Bundeswehr so umzubauen“, dass sie für „den Kriegsfall optimal aufgestellt“ ist – inklusive „groß angelegtem“ Einsatz gegen eine Großmacht und „hoch intensivem Gefecht“. Die Reform enthält drei wesentliche Neuerungen: Führungsfähigkeiten für In- und Ausland werden in einem zentralen Führungskommando gebündelt; knappe Fähigkeiten wie ABC-Abwehr, Sanitätsdienst oder Logistik werden in einem Unterstützungskommando zentralisiert; die Cyber- und Informationskräfte werden zur vierten Teilstreitkraft aufgewertet.

Der Umbau soll „alle Bereiche“ der Truppe in den Blick nehmen und laut Pistorius „innerhalb der nächsten sechs Monate“ umgesetzt sein. Es gehe darum, „Aufwuchsfähigkeit, […] Innovationsüberlegenheit und Kriegsversorgung“ sicherzustellen, heißt es; übergeordnete „Handlungsmaxime“ bleibt „Kriegstüchtigkeit“.

Kommando für die „Drehscheibe“

Um im Kriegsfall „schneller und effektiver“ handeln zu können, zentralisiert die Bundeswehr mit der angekündigten Reform der Organisationsstruktur zunächst ihre Kommandostrukturen. Ziel sei es, Führungsverantwortung zu bündeln, um „Entscheidungswege“ zu „beschleunig[en]“, teilt das Verteidigungsministerium mit.[1] Bislang gab es jeweils ein Kommando für den Einsatz im Inland bzw. im Ausland – das Territoriale Führungskommando und das Einsatzführungskommando. Beide werden jetzt zum Operativen Führungskommando zusammengefasst.[2] Das neue Kommando soll dann als „zentrale Ansprechstelle“ für „die Verbündeten und multinationalen Organisationen“ einerseits und nationale zivile und staatliche Stellen andererseits fungieren.[3] Das gilt als erforderlich, da die Bundesrepublik den Anspruch erhebt, logistische „Drehscheibe“ des transatlantischen Aufmarschs in Richtung russische Westgrenze zu sein. Auf den multinationalen Marschrouten überqueren Truppen regelmäßig Grenzen und wechseln damit vom Ausland ins deutsche Inland und umgekehrt. Gleichzeitig stützt sich die Bundeswehr insbesondere beim Ermöglichen der multinationalen Truppenverlegungen durch Deutschland auf die Zusammenarbeit mit zivilen Akteuren.[4]

Verschmelzen von Innen und Außen

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, erhofft sich von dem neuen Operativen Führungskommando zunächst einen Gesamtüberblick, der aus innerem und äußerem Lagebild „zusammenwächst“. Zugleich verschwimmen bisherige Abgrenzungen. So werden die Heimatschutzkräfte, die bisher dem Territorialen Führungskommando unterstellt und damit strukturell auf einen Einsatz im Inland beschränkt waren, dem Heer zugeordnet.[5] Die Heimatschutzkräfte bestehen im wesentlichen aus Reservisten. Das neue zentralisierte Kommando liegt genau an der Schnittstelle zwischen Innen und Außen einerseits und Zivilgesellschaft und Militär andererseits.

Aufwertung der Cyberkriegsführung

Bereits im neuen „Operationsplan Deutschland“ der Bundeswehr nimmt der Bereich Cyber- und Informationsraum eine zentrale Stelle ein. Die Bundeswehr gab in diesem Zusammenhang an, sich auf „Desinformationskampagnen“ und „Cyberangriffe“ vorzubereiten. Der „Gegner“ könne unter anderem versuchen, „Regierungsentscheidungen, die Meinung der Bevölkerung und vielleicht auch der Medien zu beeinflussen“.[6] Mit der Strukturreform werden die Cyber- und Informationskräfte der Bundeswehr neben Heer, Marine und Luftwaffe zur vierten Teilstreitkraft aufgewertet. Aufgestellt hatte die Bundeswehr ihr Führungskommando CIR (Cyber-und Informationsraum) bereits im Jahr 2017. Sein Aufgabenspektrum reicht von der Digitalisierung des Krieges, der „Analyse hybrider Bedrohungen“ wie etwa „Desinformationskampagnen“ und der „Sicherung von Führungsfähigkeit“ durch abhörsichere vernetzte Kommunikation auf dem Schlachtfeld bis hin zur elektronischen Kriegsführung.[7] In einem Beitrag zur Strukturreform spricht das BMVg auf seiner Internetseite von bereits stattfindenden „hybriden Angriffen Russlands auch gegen Deutschland“ – allerdings ohne nähere Informationen oder Belege.[8] In seiner Pressekonferenz zur Strukturreform betonte Pistorius, er habe AfD-Abgeordnete nicht zufällig, sondern mit „Bedacht“ als „fünfte Kolonne Moskaus“ bezeichnet.[9]

Maximale Auslastung

Drittes Reformelement ist das Aufstellen eines neuen sogenannten Unterstützungsbereiches, um der „besonderen Herausforderung der Verteilung knapper Schlüsselfähigkeiten Rechnung“ zu tragen. So seien laut Pistorius beispielsweise im Bereich Feldjäger und ABC-Abwehr Kapazitäten „nicht in dem Umfang vorhanden“, der nötig sei, um den Bedarf aller Teilstreitkräfte zu decken. Die im Unterstützungsbereich gebündelten „mangelnden Fähigkeiten“ kann das neue Operative Führungskommando zentral an die Teilstreitkräfte verteilen.[10] Das Unterstützungskommando soll zudem die „Truppe konsequent entlasten“, indem – soweit möglich – Soldaten „durch zivile Mitarbeitende ersetzt werden“.[11] Ziel sei eine Verwaltungsstruktur, die der Truppe „den Rücken freihält“.[12]

[…]

Der vollständige Artikel hier