Zur Schließung der Ausstellung „Blockade Leningrads 1941-44“ in der Gedenkstätte Lager Sandbostel durch den Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann

Im Rahmen der 5. Deutsch-Russischen Friedenstage wurde 2024 in der Bremer Kirche Unsere Lieben Frauen die Ausstellung „27. Januar 1944: Ende der Blockade Leningrads“ gezeigt (Link zum Programm der 5. Deutsch-Russischen Friedenstage).
Dieselbe Ausstellung sollte vom 08.09. bis 07.10.2025 in der Gedenkstätte Lager Sandbostel (GLS) gezeigt werden, wurde aber nach nur einem Tag durch die Leitung der GLS abgebrochen (Link zur Reaktion des Vereins Deutsch-Russische Friedenstage).
Zur Begründung wurde von der Gedenkstättenleitung angeführt, „in der Eröffnungsrede seitens des Vereinsvorsitzenden (sei es) zu Aussagen und Positionen zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine (gekommen), die in keiner Weise mit den Positionen der Gedenkstätte und der Stiftung Lager Sandbostel übereinstimmen.“
Nichts davon in der Eröffnungsrede, die lediglich auf die gesellschaftliche Konstruktion von Feindbildern eingeht und in dem pazifistisch motivierten Satz gipfelt: „Und seien wir ehrlich: Nichts anderes passiert gerade auch heutzutage – wenn es gegen Israel, oder die Hamas, oder auch gegen Russland geht.“
Dieser Satz war für den Leiter der Gedenkstätte Lager Sandbostel, Andreas Ehresmann, Grund genug, die Ausstellung zu schließen, nachdem er ein halbes Jahr Zeit gehabt hatte, sich inhaltlich mit der Ausstellung und den Positionen des Vereins Deutsch-Russische Friedenstage zu beschäftigen.
Bleibt zu fragen, warum eine Bremer Kirchengemeinde kann, was die Gedenkstättenleitung Lager Sandbostel nicht kann?
Ganz einfach: Die Bremer Kirchengemeinden sind nach der Kirchenverfassung von 2024 weitgehend autonom und lassen sich finanziell wie politisch nicht in dem Maße unter Druck setzen wie der Leiter einer staatlich finanzierten Gedenkstätte. Diese hat sich seit Beginn des russisch-ukrainischen Krieges — offiziell oder inoffiziell — als Teil der deutschen „Gedenkstättenlandschaft“ verpflichtet, Vertreter der Russischen Föderation und russischer Opferverbände von Gedenkveranstaltungen auszuschließen oder ihnen den Zutritt zu verwehren.
Zu diesem Vorgang hat der Bremer Verleger, Historiker und Friedenspreisträger Helmut Donat einen Offenen Brief veröffentlicht, der hier gelesen werden kann:
Offener Brief von Helmut Donat an den Leiter der Gedenkstätte
Lager Sandbostel, Herrn Andreas Ehresmann,17. September 2025
Sehr geehrter Herr Ehresmann,
Ihre Entscheidung, die Ausstellung des Vereins „Deutsch-Russische Friedenstage e.V. Bremen“ „Niemand ist vergessen und nichts ist vergessen – Die Blockade Leningrads 1941-1944“ nicht weiter zu zeigen und damit den Blicken der interessierten Öffentlichkeit zu entziehen, ist anmaßend, hält der Kritik nicht stand und stellt einen Anschlag auf die Meinungs- und Gedankenfreiheit dar. Das gilt ebenso für Ihre Behauptung zu der „Absage der Sonderausstellung“, in der Eröffnungsrede seien „historisch falsche“ Vergleiche und Analogien gezogen. Des Weiteren sprechen Sie von der Rechtfertigung eines Krieges durch die Ausstellung.
Ich habe die Rede von Wolfgang Müller, dem Vorsitzenden der „Deutsch-Russischen Friedenstage“, gelesen und die Ausstellung gesehen. Weder kann ich die von Ihnen erhobenen Vorwürfe darin bestätigt finden noch kann ich diese nachvollziehen. So heißt es in der Rede Müllers: „Man kann junge Menschen letztlich nur dadurch zum Töten anderer Menschen motivieren, wenn man ihnen die Gewissheit vermittelt, diese anderen Menschen seien ja Feinde, sie seien böse, und ihr Anführer sei ein Schurke… Und seien wir ehrlich: nichts anderes passiert gerade auch heutzutage – wenn es gegen Israel, oder die Hamas, oder auch gegen Russland geht… – eigentlich in allen Kriegen.“ Sie mögen anderer Auffassung sein, aber was ist daran so verwerflich, dass man zum Hausverbot greift? Oder wenn an anderer Stelle gesagt ist: „Dass auch westliche Demokratien nicht davor gefeit sind, wieder in Kategorien der Barbarei zu verfallen, wird deutlich, wenn man bei uns die Wiederbelebung des alten Feindbildes Russland beobachtet.“ Was ist an dieser Aussage so ehrenrührig oder schändlich, dass sie nicht geäußert werden darf?
Nicht zuletzt auch wegen der Schwere Ihrer Anschuldigungen fordere ich Sie auf, einen genauen Nachweis zu erbringen und mir sowie der Öffentlichkeit mitzuteilen. An welcher Stelle der Ausstellung wird z.B. der Rechtfertigung eines Krieges das Wort geredet?
Es berührt mich zudem mehr als unangenehm, dass Sie u.a. auch die Nichtübereinstimmung mit Ihren Positionen und Auffassungen als Begründung für Ihre Entscheidung anführen. Soll das heißen, dass der Besucher der Gedenkstätte Sandbostel, wenn er Ihre Ansichten und Standpunkte nicht teilt oder Ihnen widerspricht, seine Kritik und Meinung an der Kasse abgeben soll? Sie signalisieren mit Ihrer Wortwahl eine Illiberalität, die Andersdenkende ausgrenzt und als unseriös verunglimpft. Wenn sich unterschiedliche oder entgegengesetzte Auffassungen nicht vereinbaren lassen, so ist das noch lange kein Grund, den Widerpart auszuladen oder ihm die rote Karte zu zeigen.
Die Gedenkstätte ist eine öffentliche Einrichtung, und es stellt einen Missbrauch Ihres Bildungsauftrages dar, wenn Sie Personen, Vereinigungen etc., nur weil sie Ihnen nicht genehme oder unerwünschte Ansichten vertreten oder Empfindungen äußern – und solange sie weder zur Gewalt aufrufen noch beleidigend werden – aussperren. Sie maßen sich damit ein Recht an, dass Ihnen weder zusteht noch einem offenen Diskurs über das Für und Wider von Krieg und Frieden förderlich ist.
Ihr Verhalten liegt politisch auf der Ebene der Würdigung von dezidierten Bellizisten, die Friedenspreise erhalten, weil – so die uralte und reaktivierte Glaubensformel – nur Kriegstüchtigkeit den Frieden garantiere. In diesem Zusammenhang sei unter Rückgriff auf die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts daran erinnert, wie eine Vorhersage ihre Erfüllung selbst bewirkt und wie durch das bewusste oder unbewusste Handeln einer Person etwas sich selbst Vorhergesagtes letztlich auch eintritt:
Im März 1914 erklärte Kaiser Wilhelm II.: „Ich als Militair hege nach allen Meinen Nachrichten nicht den allergeringsten Zweifel, dass Russland den Krieg systematisch gegen uns vorbereitet, und danach führe ich meine Politik.“
Als im April 1914 der „Vorwärts“, Zentralorgan der SPD, die Agrarier und die kaiserliche Zollpolitik für die wirtschaftliche und politische Verstimmung zwischen Deutschland und Russland verantwortlich machte, wurde ihm vorgeworfen, er betreibe eine Art „auf den Kopf gestellten Nationalismus“ sowie einen „Chauvinismus zugunsten des Auslands“ nebst „Selbsterniedrigung“.
Im Juni 1914 forderte der Führer der Deutschkonservativen Partei Ernst von Heydebrand und der Lasa in einer Rede, dem russischen Nachbarn, weil dieser nur die Sprache der Gewalt verstehe, rücksichtslos entgegenzutreten; das Verhältnis zu Russland sei nicht mehr das, was es einmal war. Originalton: „Wir hier wissen, was das für uns einmal bedeuten kann.“
Im Juli 1914 sagten die deutschen Generäle ihrem Reichskanzler, in drei bis vier Jahren habe man den eigenen Rüstungsvorsprung gegenüber Russland verloren, also müsse man den noch bestehenden Vor-teil jetzt nutzen und losschlagen.
Dreißig Jahre später, als die NS-Propaganda bei der Olympiade in Berlin noch die Friedensschalmei blies, hieß es im August 1936 in der „Denkschrift“ Hitlers zum „Vierjahresplan“:
„1. Die Sowjetunion bereitet einen Krieg gegen Europa vor.
2. Die deutsche Armee muss in vier Jahren einsatzfähig sein.
3. Die deutsche Wirtschaft muss in vier Jahren kriegsfähig sein.
Persönlich überreicht [von Adolf Hitler] an Hermann Göring am
2. September 1936 auf dem Obersalzberg.“Heute wird die Drohkulisse aufgebaut und verbreitet, Putin-Russland werde in vier Jahren so weit sein, Westeuropa anzugreifen, und es bliebe uns nichts anderes übrig, als uns kriegsbereit und -tüchtig zu ma-chen. Mit solchem Schüren von Ängsten bereitet man den Boden für eine gespenstische Aufrüstung, instrumentalisiert den Ukrainekrieg für eine bespiellose Militarisierung der Gesellschaft und erklärt vollmundig, die Orientierung am „Nie wieder Krieg!“ habe ausgedient.
Ich frage Sie: Ist, wer daran Kritik übt, kein Gesprächspartner für Sie bzw. die Leitungsgremien der Gedenkstätte Lager Sandbostel?
Ich fordere Sie auf, Ihre Entscheidung rückgängig zu machen, einen neuen Termin für die abgesagte Ausstellung zu planen und eine öffentliche Veranstaltung über das Für und Wider Ihrer Entscheidung durchzuführen, bei der die Kontrahenten gleichberechtigt vertreten sind.
Mit freundlichen Grüßen,
Helmut DonatVerleger, Historiker und Träger des Carl von Ossietzky-Preises der Stadt Oldenburg
mensch kommt ja garnicht mehr zum atmen,wie schnell angesichts der kriege in der ukraine und im gazastreifen rückwärts gewandte ungeheuerlickeiten raum greifen!!
mensch kann doch nicht,weil jetzt putin krieg gegen die ukraine führt,die geschichte der sowjetunion und die maßgebliche befreiung der Roten Armee vom "3.reich" nicht mehr darstellen wollen und können,nicht darlegen dürfen,daß in der opposition gegen rußland a u c h die alte "furcht vom bösen russen(russinnen?)" wieder zutage tritt,…………
rote fahnen wurden bei der gedenkveranstaltung in esterwegen vor ein paar jahren verboten,weil sie suggerieren könnten,mensch sei solidarisch mit dem hammer und sichelemblem und der sowjetischen flagge!!
was aber hat das mit putin zu tun – nichts!!
besonders erschüttert mich das auch antikommunistische verhalten,wenn sich ein gedenkstättenleiter so undifferenziert verhält !!
ich unterschreibe jedes wort de offenen briefs von helmut donat und erkläre mich damit solidarisch!!
ruthingeborg