Die Rede von Bernd Fischer bei der Palästina-Demo am 16. März

Bernd Fischer, Rede auf der Kundgebung der Bremer palästinensischen Gemeinde am Samstag, den 16.03.2024, auf dem Bremer Marktplatz:

Verehrte Anwesende, liebe Freundinnen und Freunde der Bremer palästinensischen Gemeinde!

Ich bewundere Euch für Eure Ausdauer und für Eure Disziplin, mit der Ihr seid über 5 Monaten Woche für Woche auch jetzt im Fastenmonat Ramadan gemeinsam mit einer überschaubaren, aber langsam wachsenden Zahl sogenannter „Biodeutscher“ durch Bremen zieht, um gegen die Kriegsverbrechen der israelischen Armee in Gaza und im Westjordanland zu demonstrieren.

Ob diese Verbrechen jemals vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag als „Genozid“ anerkannt und verurteilt werden, dürfte den Leidtragenden in Gaza und im Westjordanland ziemlich egal sein, denn auch der israelischen Regierung scheint es egal zu sein, ob und von wem sie vor welchem Gericht gerade angeklagt wird.

Dieser Krieg, das sehen wir inzwischen immer deutlicher, wird auch als Hungerkrieg geführt.

Ende Februar versammelten sich in Erwartung mehrerer mit Mehl beladener LKW Hunderte von Menschen am Eingang von Gaza-Stadt, doch kaum war die Lieferung angekommen, eröffnete die israelische Armee das Feuer auf die Hungrigen. Während die Panzer noch über die Köpfe zielten, schossen die Soldaten direkt in die Menschenmenge, töteten 112 Personen und verletzten über 750 weitere. Später behauptete das israelische Militär, die meisten der Toten seien im Gedränge zu Tode getrampelt worden, doch die Autopsien ergaben das genaue Gegenteil: 80 % der Leichen waren von Kugeln durchbohrt, und zwar von Kugeln der Art, die auch von Deutschland nach Israel exportiert wurden und werden.

Und jetzt zum Mitschreiben für alle, die es noch nicht wissen: Die Bundesregierung stoppt ihre Zahlungen an die UNHilfsorganisation, und zugleich wird die israelische Armee über das Wirtschaftsministerium unter Leitung von Robert Habeck mit Munition versorgt, die gegen die Zivilbevölkerung zum Einsatz kommt ein glatter Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, nach dem Rüstungsexporte nicht genehmigt werden dürfen, wenn „die Gefahr besteht“, dass die gelieferten Waffen „bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg“ verwendet werden.

Israels Krieg gegen Gaza ist der Krieg einer Besatzerarmee gegen eine unter Besatzung lebende Bevölkerung. Die Lieferung von Munition ist also in mehrfacher Hinsicht illegal und muss bestraft, mindestens aber gestoppt werden! Aufgeschreckt durch die internationalen Proteste ließ Robert Habeck auf seiner Reise durch die USA verlauten, Israel könne „jetzt nicht Halt machen“, müsse also nach über 30.000 Toten und über 60.000 Verletzten und Verstümmelten weitermachen wie bisher, nur nicht ganz so schlimm, mit etwas weniger Toten vielleicht, mit etwas weniger Verletzten und Verstümmelten.

Bar jeder Vorstellung von der Universalität menschlichen Leids sagt der studierte Philosoph und Kinderbuchautor Habeck, der sich nach der letzten Bundestagswahl ins Wirtschaftsministerium verlaufen hat, man müsse „es“, also den Krieg, eben „anders machen.“ Genau darauf haben die Halbverhungerten in Gaza noch gewartet: Dass ein ahnungsund erbarmungsloser Deutscher der israelischen Armee den Rat erteilt, den erbarmungslosen Krieg doch bitte etwas „anders“ zu führen, also weniger erbarmungslos, wohl wissend, dass die Ratschläge derer, die Israels Sicherheit zur deutschen Staatsraison erklären, der israelische Führung am Arsch vorbeigehen.

„Anders machen“ bedeutet in Gaza anders vertreiben, anders aushungern und anders ermorden. „Deutschland“, so heißt es in der Klageschrift der Regierung Nicaraguas vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, „ist sich genau der tödlichen Konsequenzen bewusst, die die Sperrung der Zahlungen an das UN-Hilfswerk UNRWA für die Palästinenser haben wird, insbesondere jene in Gaza.

Die Einstellung oder die massive Verringerung der Arbeit des UNRWA wird das Begehen wie die Vertuschung schwerwiegender Verstöße gegen das Völkerrecht erleichtern. Das ist nicht nur selbst schon ein Bruch der Verpflichtung, 3 Völkermord zu verhindern und die Einhaltung des Kriegsvölkerrechts durch andere sicherzustellen, es deutet auch auf eine tiefere Verwicklung in die Ermöglichung dieser widerrechtlichen Aktivitäten.“ Südafrika und Nicaragua haben Recht mit ihren Klagen, und wir freuen uns über den internationalen Druck, der auf den Straßen und Plätzen von London, Paris und New York, auf den Straßen und Plätzen von Berlin, Hannover und Bremen entwickelt wird und wächst!

Nur um diese Proteste zu besänftigen, wird Gaza inzwischen nicht mehr nur mit explosiven Geschossen, sondern medienwirksam auch mit Lebensmitteln bombardiert. 36.000 Mahlzeiten wurden kürzlich nach US-Angaben über verschiedenen Orten des Gazastreifens abgeworfen, das sind 36.000 Mahlzeiten für mehr als zwei Millionen Menschen, was einer Mahlzeit alle 55 Tage entspricht. Und wenn die Bundesregierung in ihrer grenzenlosen Güte die Bundesluftwaffe schickt und Gaza mit weiteren 35.000 Mahlzeiten gesegnet wird, halbiert sich die Wartezeit auf 25 bis 30 Tage. Und wenn die geplante sogenannte Seebrücke eröffnet wird, gibt es irgendwann, vielleicht in einem Monat oder später, einmal in der Woche etwas zu essen! Ist das nicht toll? Nein, liebe Freundinnen und Freunde, das ist nicht toll, das ist ein zynisches Unterfangen, zumal es vollkommen unklar ist, wer diese Lebensmittel verteilen soll, nachdem die UNHilfsorganisation UNRWA von Israel als verlängerter Arm der Hamas betrachtet wird, wie also gesichert werden kann, dass nicht nur die Starken profitieren, während die Schwachen leer ausgehen.

Schon im Oktober 2023 wurde erkennbar, dass die israelische Armee mit der Zerstörung sämtlicher Bäckereien im Gazastreifen und ihrer völkerrechtswidrigen Hungerpolitik ein klares Ziel verfolgt: Hungrige denken nicht an Widerstand, sondern an Brot. Geschwächte lassen sich leichter vertreiben, und Verzweifelte fügen sich in ihr Schicksal, wenn sie aus den 4 letzten Fluchtwinkeln im südlichen Gazastreifen in irgendwelche Zeltlager in der Wüste vertrieben werden. Seit dem Massaker der Hamas am 07. Oktober wird aber von der rechtsradikalen israelischen Regierung und ihrer Anhängerschaft genau das gefordert: eine zweite Nakba, eine Totalvertreibung aus Gaza, die mit der Bodenoffensive gegen Rafah zu einem vorläufigen Abschluss kommen soll. Und an dieser Bodenoffensive wird auch wieder Deutschland beteiligt sein, mit einer zusätzlichen Lieferung von Panzermunition aus dem Hause Rheinmetall, das am UkraineKrieg noch nicht genug verdient.

Wir fordern von der Bundesregierung: Stoppt die Waffenlieferungen an Israel sofort! Beteiligt Euch an den internationalen diplomatischen Bemühungen für einen Waffenstillstand! Übt wirtschaftlichen und politischen Druck auf die israelische Regierung aus, damit sie endlich ihre Kriegsmaschine stoppt. Free Palestine! Hoch die internationale Solidarität!

Nachwort am Samstagabend: Nach der Kundgebung hat die Polizei meine Personalien aufgenommen und die Rede abfotografiert, weil ich bezugnehmend auf die Klage Südafrikas von „Genozid“ gesprochen habe. Nette Jungs, aber ein bisschen unbedarft, weshalb sie auch nicht in der Lage waren, die Bezugnahme von einer Anklage zu unterscheiden.