An diese Devise westlicher Außenpolitik fühlt man sich mit Blick auf die aktuelle Situation in Syrien stark erinnert. Oder wie soll man es verstehen, dass mehr oder weniger offen von der bundesdeutschen und insgesamt der westlichen Presse und Politik der Sieg der dschihadistischen Miliz Haiat Tahrir Al-Scham(HTS) in Syrien bejubelt wird?
Die Anhänger von HTS, heute im Westen liebevoll als Rebellen oder Aufständische tituliert,
stehen auf der Terrorliste vieler westlichen Länder. Das US-Außenministerium hat ein Kopfgeld von 10 Millionen Dollar auf den Führer dieser Al-Kaida-Nachfolgeorganistion Abu Mohammed al-Dschulani ausgesetzt. Angesichts westlicher Geheimdienste, Drohnen und Pager verwundert es, dass dieser Mann noch lebt. Offenbar wurde er für große Aufgaben noch gebraucht.
Offene Fragen
Zur aktuellen Situation in Syrien gibt es mehr offene Fragen als schlüssige Antworten.
Wie konnte es den Dschihadisten um HTS mit ihren Verbündeten gelingen, quasi ohne Gegenwehr die Assad-Regierung zu stürzen? Wer hat diese Gruppen militärisch, logistisch, geheimdienstlich unterstützt? Woher bekamen sie die Waffen? Welche Rolle spielten Israel, die USA, die Türkei? Gab es einen Deal mit Russland? Wie war es möglich, dass HTS in der Region Idlib einen eigenen Staat aufbauen konnte? Wer hat dieses Terror-Regime unterstützt?
Wie war die menschenrechtliche Situation unter der Herrschaft von HTS, speziell in Bezug auf Frauenrechte und Umgang mit Menschenrechten? Wieso schweigen westliche Medien und Politiker zu Berichten und Bildern von Gewaltverbrechen, Folter und Mord auf dem Siegeszug der Dschihadisten? Wie werden die Hilfsleistungen von Seiten des Westens, incl. der BRD, für die Dschihadisten-Miliz begründet? War die westliche Unterstützung von HTS völkerrechtskonform? Ist Regime-Change vom Völkerrecht gedeckt?
Sanktionen
Welche Rolle spielten die Sanktionen bei der Zermürbung der syrischen Bevölkerung? Wie viele Menschen kamen als Folge der Sanktionen ums Leben?
Wir erinnern uns, dass US-Außenministerin Albright in ihrer Amtszeit verantwortlich für die Sanktionen gegen den Irak war. Als sie Jahre danach in einem Interview gefragt wurde, ob der Tod von einer halben Million Kinder nicht ein zu hoher Preis gewesen sei, meinte sie, das sei den Preis wert gewesen. Wieso schweigen westliche Medien und Politiker über die Opfer der Sanktionen?
Vorgeschichte
Vielleicht versteht man die aktuelle Situation etwas besser, wenn man sich einige Aspekte der Vorgeschichte der syrischen Entwicklung anschaut.
Es geht nicht darum, Assad reinzuwaschen.
Es geht darum, sich den Kontext anzuschauen.
Die US-Außenministerin Condoleeza Rice hatte erstmals von einem „kreativen Chaos“ geschwärmt, das notwendig zur Zerstörung des Irak sei. Der frühere US-Vizepräsident Dick Cheney entwickelte diese Idee weiter. Der US-amerikanische Journalist Seymour Hersh berichtete 2007 in der Zeitschrift „The New Yorker“ darüber. Um den Einfluss des Irans, Syriens und der Hisbollah im Nahen Osten zurückzudrängen, schlug Cheney vor, religiöse und ethnische Gruppen in der Region gegeneinander auszuspielen. Basierend auf einem jahrhundertealten Religionsstreit unter den Muslimen sollten Sunniten gegen die Schiiten aufgewiegelt werden.
Sieben Staaten in fünf Jahren
Der ehemalige General der US-Army Wesley Clark gab 2007 in einem Interview Einblicke in die Planungen des Pentagon 2001. Schon 10 Tage nach 9/11 sei er informiert worden, dass Afghanistan überfallen werden solle. Sechs Wochen später seien die Kriegspläne erheblich ausgeweitet worden, wie Clark von einem Offizier des Generalstabes erfuhr. Außer Afghanistan sollten „in den folgenden fünf Jahren noch sieben weitere Staaten von den USA angegriffen und ihre Regierungen zerstört werden“: der Irak, Libyen, Syrien, der Iran, der Libanon, Somalia und der Sudan. Der Stabsoffizier berief sich dabei auf ein Memorandum, das er gerade aus dem Büro von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erhalten habe.
Es dauert etwas länger als fünf Jahre, aber Schritt für Schritt wird das damals festgelegte Ziel erreicht. Welche Länder werden die nächsten Opfer dieser zynischen Machtpolitik sein?
* Zur Grafik: Der fraktionslose EU-Parlamentsabgeordnete Martin Sonneborn hat die Syrien-Karte mit einigen Fragen zur aktuellen Situation in Syrien auf X veröffentlicht – nachlesbar hier (Link).