Ostermarsch 2025 Bremen – Redebeitrag 3: Dr. Detlef Griesche (DPG Bremen)

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Aktive für Frieden, gegen Krieg und Rüstungswahnsinn

Über den aktuellen Völkermord in Palästina zu sprechen in diesen Zeiten, die Hannah Ahrendt heute wohl wieder als „finster“ bezeichnen würde, in Zeiten, in denen öffentliches Reden und Aufklärung darüber nicht gestärkt, sondern diskriminiert, verfolgt und kriminalisiert wird, angesichts der Versuche, Kriege und Waffenexporte zu tabuisieren und lieber Wehrertüchtigung zu propagieren ist deutliche auch faktenbasierte Sprache nur mit Vorsicht zu formulieren.

Wir aber lassen uns nicht verängstigen.

Wir müssen lauter noch und deutlicher noch gegen Kriege und Kriegstreiberei im Gewande der vermeintlichen Verteidigung auftreten.

Und wir sind nicht allein! Immer häufiger wird im Gegensatz zu noch vor kurzer Zeit in der ARD und im ZDF, wie in einigen meist spät gesendeten Magazinen wie Monitor u.a. etwas gezeigt, was niemand mehr verschweigen kann: Bilder von zerstörten Regionen Gazas, von Kriegsverbrechen, die um die Welt gehen. Immer häufiger werden z.B. Resolutionen und Offene Briefe von namhaften Wissenschaftlern, von 77 Völkerrechtlern, von Journalisten- und Ärzte-Vereinigungen und aktuell auch von mehreren ehemaligen deutschen Botschaftern im Nahen und Mittleren Osten, die der Bundesrepublik Doppelmoral im Umgang mit Israels Regierung vorwerfen. „Seit Jahrzehnten sehen wir zu, wie Palästinenser von der israelischen Armee und Siedlern schikaniert, vertrieben oder getötet werden und wie Israel völkerrechtswidrig immer mehr Land besetzt – dies im offenkundigen Widerspruch zu unserem sonstigen Eintreten für das Völkerrecht und zur regelbasierten Weltordnung“, schreiben die früheren Diplomaten in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Das stimme nicht mit der ansonsten deutlichen Positionierung Deutschlands etwa gegen Russland (auf die Arno hingewiesen hat) überein.

Die Ex-Botschafter kritisieren eine aus ihrer Sicht „bedingungslose Unterstützung“ der aktuellen israelischen Regierung als „falsch verstandene Freundschaft, weil sie wichtige Teile der israelischen Gesellschaft ignoriert“. Deutschland trage auf Grund seiner Geschichte eine besondere moralische Verantwortung für Israel wie für die Menschlichkeit. „Für beide einzutreten und Vergehen beiden entgegenzutreten, muss unser Anspruch sein.“ Israels Vorgehen im Gazastreifen sowie im Westjordanland ließen „kein Weiter-so mehr zu, auch nicht von Deutschland“.

Die Verfasser fordern Deutschland zudem auf, sich an internationale Statuten, wie die Urteile des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zu halten. Dieser hatte, wie bekannt, Haftbefehle auch gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Joav Gallant erlassen. Der Vorwurf lautet auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und diesen vom Internationalen Strafgerichtshof benannten Netanyahu will der noch nicht gewählte aber mutmaßlich neue Kanzler der wahrscheinlichen neuen Regierung dennoch nach Deutschland einladen und er fände schon Wege, dieses auch durchzusetzen. Man darf gespannt sein, ob ein deutscher Kanzler sich über Internationales Recht und Deutsche Verfassungsgrundsätze hinwegsetzen wird.

Und ganz generell ist schon jetzt anhand der Passagen im Koalitionsvertrag der zukünftigen mutmaßlichen Regierung zu vermuten, dass sich nichts an der von der Formel, das „die Sicherheit Israel zur deutschen Staatsraison gehört“ abgeleiteten Politik ändern wird und der Konflikt zwischen den Grundsätzen des Grundgesetzes und der Beihife zur genozidalen Kriegsführung Israels durch Waffenlieferungen und angekündigter Ignoranz der Grundsätze des Völkerrechts und der vorliegenden Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof und dem Internationalen Staatsgerichtshof weiter bestehen wird.

Da heißt es u.a.: „Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels bleiben Teil der deutschen Staatsraison. Wir…unterstützen Israel bei der Gewährleistung der eigenen Sicherheit. Gleichzeitig muss die humanitäre Lage im Gaza-Streifen grundlegend verbessert werden. Die tragfähige Perspektive für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern ist eine zu verhandelnde Zweistaatenlösung. Den Umfang unserer zukünftigen Unterstützung des UN-Hilfswerks UNRWA machen wir von umfassenden Reformen abhängig.“ Angesichts der genozidalen Entwicklung und der permanenten völkerrechtswidrigen Siedlungserweiterungen und Neugründungen durch Israel ein Hohn!

Man kann die Frage stellen, ob es vielleicht an Unkenntnis und Fehlen faktenbasierter Aufklärung deutscher Politiker liegt, das man trotz der immer unglaublichen genozidalen Entwicklung in Gaza und der forcierten von der israelischen rassistischen Regierung geduldeten Übergriffe radikaler „Siedler“ in der Westbank und der Annektion immer größerer Landstriche im Westjordanland liegt, daß nur gelegentlich einige ermahnende diplomatische Worte an die israelische Regierung gerichtet werden? Nein!

Wenn ich bis letztes Jahr mit unserem Präsidium gelegentlich zum Gedankenaustausch ins Außenministerium nach Berlin fuhr, stellten wir immer wieder fest: die wissen alles was da passiert, jedes Detail. Und das wird ja in der vorhin zitierten Stellungnahme von Exdiplomaten bestätigt. Da kann sich keiner rausreden, er habe nichts gewußt!

Woran liegt es also, dass unsere politisch Klasse in ihrer Mehrheit, flankiert lange Zeit vom medialen mainstream nicht trotz Wissen nach unseren verfassungsmäßigen Grundlagen reagiert und sich nicht zur Beendigung der genozidalen Entwicklung einsetzt statt weiter der zweitgrößte Waffenlieferant für Israel zu sein und damit die völkerrechtswidrige Vertreibung und Annektion, sowie die Zerstörung der Lebensgrundlagen im Gaza durch Bombardierung und Entzug der Lebensgrundlagen weiter unterstützt. Schon der frühere sozialdemokatische Kanzler Helmut Schmidt kritisierte 2010 die Rhetorik von Israels Sicherheit als „eine gefühlsmäßig verständliche, aber törichte Auffassung, die sehr ernsthafte Konsequenzen haben könnte“. Die Entwicklung der letzten Monate der Kriegsführung Israels in Gaza und den Schlägen in anderen Staaten wie Libanon, Irak und Iran haben diese Mahnung und Einschätzung der Folgerungen der von der ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel 2008 in einer Rede vor der Knesset eingeführte Staatsraison-Formel wohl deutlich gezeigt.

Vielleicht registrieren ja die ignoranten Verteidiger der israelischen Politik, daß diese Woche zum 2. Mal ein Foto nach der Pieta im Jahr 2024 über das Leid im Gaza Krieg und die palästinensischen Tragödie mit dem Foto der palästinensischen Fotografin Samar Abu Elout die Auswahl für des Foto des Jahres den World Press Award gewonnen hat, und zwar unter 59000 Aufnahmen von 3778 FotografInnen aus 144 Ländern. Ein stilles Bild mit einer lauten Botschaft – ein Junge, dem beide Arme amputiert wurden, der fragt, wie soll ich meine Mutter noch umarmen können. Oder die in den letzten Tagen erstaunlich deutlich gezeigten Ereignisse in Gaza mit Bombardierung von Zeltunterkünften oder gleich 3 wichtigen Berichten in der konservativen FAZ. Wann kommt das bei unseren Politikern an, wenn selbst bezogen auf die Hetzjagden in Deutschland gegen vermeintlichen Antisemitismus der ehemalige Botschafter Avi Primor anders als das von der Politik hofierte direkte Sprachrohr der israelischen Regierungspolitik, der aktuelle Botschafter, der jegliche diplomatische Zurückhaltung vermissen läßt, sagt: „es gibt in Deutschland keinen gestiegenen Antisemitismus, wohl aber eine Steigerung der Kritik an der israelischen Politik“, womit er seriöse Umfrage-Studien bekannter Antisemitismusforscher bestätigt.

Wenn große Teile der Politik und der Medien in Israel palästinensische Menschen dehumanisieren und pauschal alle Menschen in Gaza als Hamas-Kämpfer erklären, um Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen zu legitimieren, indem sie behaupten, da seien Tunnel und Militäranlagen der Hamas unter den Schulen und Krankenhäusern und das ist es das, was die israelische Regierung und das Militär tut, dann ist zu konstatieren, daß bis heute keine belastbare glaubwürdige Beweise für die Gründe der Zerstörung von Krankenhäusern und Schulen geliefert wurden, das dort wirklich Hamas-Kämpfer waren. Auch, wenn in einem Krankenhaus ein Hamas-Funktionär behandelt wird, bedeutet das nicht, daß man das Krankenhaus angreifen darf. Es muss eine akute militärische Drohung vorliegen und eine reale Gefährdung, damit Angriffe vom humanitären Völkerrecht legitimiert werden könnten. Bislang ist der Vorwurf, Gesundheitsmitarbeiter, Ärzte, Journalisten und und andere seien Hamas-Unterstützer immer in sich zusammen gebrochen!

Und wer die Bilder Anfang der Woche im Netz gesehen hat, wie das letzte einigermaßen teilweise „funktionierende“ Krankenhaus, das christliche Al Ahli in Gaza-Stadt gestürmt wurde, wie das israelische Militär, die „humanste Armee“ der Welt, wie Israel immer betont, Belegschaft und Kranke mitten in der Nacht aufforderte innerhalb von 20 Minuten das große Krankenhaus zu verlassen und weltweit Bilder und videoaufnahmen dokumentierten, wie Kranken-Betten durch den Schutt rausgeschoben wurden, wie Menschen auf Krücken flüchteten, Verzweifelte auf dem Boden krochen und ein Kind, das zuvor eine Kopfverletzung erlitten hatte die überstürze Evakuierung nicht überlebte. Wie kann man in 20 Minuten nach Ankündigung ein voll belegtes Krankenhaus evakuieren? Wahnsinn, aber mit Methode!

Und wie reagiert unsere Politik? Sanfte Diplomatische Ermahnungen statt deutliche Reaktionen und Waffenstopp! Shame on You!!

In der ZEIT von letzter Woche war in der Beilage ein mehrseitiger Artikel über einen geheim gehaltenen monatelang verhandeltem Transfer von 68 Kindern mit 11 Mitarbeitern und ihren Familienaus einem SOS-Kinderdorf in Rafah im Gazastreifen in ein SOS-Kinderdorf in Bethlehem. Hier wurde authentisch berichtet, wie Empathie für die Palästinenser in Israel inzwischen zu einem Luxusgut geworden ist. Wir kennen inzwischen alle die Ausführungen von Politikern und Militärs, die Palästinenser als Tiere bezeichnen und behandeln, wenn sie nicht überhaupt die Existenz von Palästinensern leugnen. Wir kennen die unmenschlichen Taten der „moralischten Armee“ der Welt. Und wir kennen die nach wie vor hohen Zustimmungswerte der breiten Masse der israelischen Bevölkerung zum Gazakrieg. Aber wer weiß, dass es aus der Hölle von Gaza eigentlich kein Entkommen gibt, der bekommt einen Eindruck, dass nicht nur rassistische Politiker Vernichtungsphantasien haben, sondern auch in der Bevölkerung weit verbreitet sind – und nicht nur in der Westbank bei den radikalen „Siedlern“ mit ihrem Terror gegen palästinensische Dörfer. Als dieser selbst in der rechtsradikalen Regierung Israels umstrittene humanitäre streng geheime Konvoi nach Bethlehem fuhr, tauchten am Straßenrand Leute aus und bewarfen den Bus mit Gegenständen, Siedler versuchten die Busse aufzuhalten, stellten Nachrichten auf Telegramm ins Netz und eine Frau schrie: „ Schande! Die Busse der Terroristen!“ und der rechtsradikale Finanzminister Smotrich nannte diese Evakuierung von Kindern ein “ethisches Versagen“. Kinder wohlgemerkt!!!

Dieses kleine Beispiel der Angriffe auf eine humanitäre Hilfsaktion zeigt aber nicht nur den Charakter der faschistischen Regierungsmitglieder Israels und die Einstellung großer Teile der Bevölkerung Israels, sondern dokumentiert gleichzeitig die Doppelmoral deutscher Politik: einerseits klitzekleine im Geheimen verhandelte Humanitäre Maßnahmen und Geldlieferungen an die Hilfsorganisationen wie UNRWA mit mehreren hundert Millionen Euro und die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah von jährlich mehreren hundert Millionen Euro, dazu die Fördergelder der EU, an denen Deutschland ein fünftel beiträgt. Dazu unterstützt Deutschland das Kinderhilfswerk UNICEF und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen .

Alles wunderbar! Aber: all dies wäre kaum nötig, würde die Bundesrepublik nicht seit Jahrzehnten Waffen an Israel liefern. Aktuell ist Deutschland noch immer der zweitgrößte Waffenlieferant nach den USA. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage im Bundestag im Februar geht hervor, daß Deutschland noch im Januar 2 Millionen Euro Rüstungsexporte genehmigt hat. Aus der Antwort geht auch hervor, dass die Ausfuhr von militärischer Elektronik, Software und Technologie von insgesamt 1.990, 500 Euro genehmigt wurde. Weil es sich wie hier um „besonders bedeutsame“ Ausfuhren und Kriegswaffen handelt, gibt es über Details vom Bundessicherheitsrat keine weitere Auskunft. Er tagt geheim!

Völkerrecht kennt keine Staatsraison!

Das Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm hat in seinem Bericht 2024 mitgeteilt, daß die USA 69% der Kriegsausrüstung für Israel stellen, Deutschland 30%. Auch bei der Waffenproduktion in Israel ist diese von den USA und Deutschland abhängig, da Deutschlands Anteil am Waffenvolumen nur 6% beträgt, aber Teile für die Waffenproduktion und sonstige Rüstungsgüter machen einen großen Anteil aus und werden prioritär behandelt. Inzwischen gibt es das Wort vom „Genocid made in Germany“! Was ist das? In israelischen Raketen sind z.B. Teile der deutschen Firma JUMO aus Fulda eingebaut. Selbst in einer Sendung in Panorama konnte man vor einiger Zeit exakt nachverfolgen, was wir von Deutschland aus nach Israel liefern, während der noch amtierende Kanzler und seine grünen Minister behaupteten, nur Waffen zur Verteidigung zu liefern!

Sogar die Tagesschau berichtete schon am 19.9.2024, dass die Waffenlieferungen im Jahr 2023 mit 326,5 Millionen Euro die Rüstungsexporte nach Israel um das zehnfache gestiegen waren. Die Bundesregierung behauptete zwar, daß seit dem 7.10. 2023 nur noch ein kleiner Teil Kriegswaffen geliefert würden und wieder dienten diese Waffen aus Deutschland nur der Verteidigung Israels. Diese sog. Verteidigung hat inzwischen geholfen, den Gazastreifen fast unbewohnbar zu machen, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Kulturstätten und religiöse Gebäude zu zerstören und zigtausend Palästinenser umzubringen, darunter der Großteil Kinder, Frauen und Bewegungsbehinderte. Da das internationale Recht eigentlich den Waffenhandel verbietet und das zunehmende Waffenembargo auch zwischendurch Wirkung zeigte, importierte Israel auch zunehmend Rohstoffe für die Herstellung von Waffen, auch aus Deutschland. Und die deutsche Heuchelei konnte man exemplarisch belegen am Beispiel des deutschen Frachters MV Kathrin vom deutschen Unternehmen Lubeca Marine in Lübeck. Das mit dem hochexplosiven Sprengstoff Royal Demolation Explosive (RDX) in 8 Containern beladene Schiff war zunächst auf dem Weg nach Israel von der namibischen Regierung getoppt wurde und durfte weitere Häfen nicht anlaufen! Der in Deutschland erfundene Sprengstoff gilt als stärker als TNT und ist Schlüsselkomponente für die Produktion von Fliegerbomben, Granaten und Raketen, die vornehmlich in Gaza eingesetzt werden!

In einem Kommentar im Deutschland-Funk (DLF) am 26.10.2024 prangerte der Journalist Martin Durm an: „Deutschland liefert Waffen an Israel für den Krieg im Libanon und Gaza und stellt gleichzeitig 96 Mill. Für humanitäre Hilfe und Wiederaufbau zur Verfügung bereit“. Das ist nicht nur widersprüchlich, das ist zynisch und pervers! Das ist deutlicher Ausdruck der Doppelmoral!!

Und was sagt zu all dem die deutsche Politik? Im Gegensatz zur zurückliegenden Zeit einer nahezu medialen Ignoranz der Entwicklung vor allem in Gaza, aber auch des Westjordanlandes, bringen angesichts der nicht länger zu übersehenden genozidalen Entwicklung selbst deutsche Leitmedien immer öfter Berichte mit Bildern, die an die Zerstörung Deutschlands 1945 erinnern und Berichte über zunächst vom Militär und Regierung geleugnete Massaker, die wie sich nach Augenzeugenberichten herausstellen, doch zugegeben werden müssen, wenn auch mit dem immer gleichen Zusatz einer offiziellen Untersuchung, von denen man allerdings später nichts mehr hört.

Der Fall der 15 palästinensischen Sanitäter und Zivilschutzhelfer des Roten Halbmondes, die am 23. März in Rafah in einem deutlich erkennbarem hell erleuchteten und markierten Krankenrettungs- und einem Feuerwehrwagen angegriffen und 14 getötet und dann heimlich samt ihrer Wagen verscharrt wurden , zeigt exemplarisch die Militärstrategie. Nachdem Tage später, als sich gemeinsame Teams des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), des Roten Halbmonds und des Zivilschutzes Zugang zum Fundort verschafften und ihn exhumierten, kam das ganze Grauen zum Vorschein: mit Kabelbindern gefesselte Hände und Füße, Zeichen einer Hinrichtung aus nächster Nähe und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Leichen. Es handelte sich nicht um Opfer des Kreuzfeuers. Die israelischen Streitkräfte hatten sie kaltblütig hingerichtet und anschließend mit einem Bulldozer die zerquetschten Fahrzeuge über den Leichen vergraben. „Wir graben sie in ihren Uniformen aus, sie tragen noch ihre Handschuhe“, so Jonathan Whittall von UNOCHA in einer Erklärung, nachdem das Massengrab in Tel Al-Sultan entdeckt worden war. „Einem von ihnen wurde die Kleidung entfernt, ein anderer wurde enthauptet“, erklärte Mahmoud Basal, ein Sprecher des Zivilschutzes.

Bildmaterial belegte die Tat und weltweite Empörung breitete sich aus. Das israel. Militär hatte zunächst geleugnet, dann die übliche Variante ihres Kommunikationsmusters von verkleideten Hamas-Kämpfern, die sich verdächtig genähert hätten verbreitet, räumte es später ein, dass ihre Darstellung falsch war, dieses natürlich nicht vorsätzlich geschehen sei und untersucht würde. Von diesen Untersuchungen erfährt man allerdings nie, wenn sie denn stattfinden sollten.

Es war exemplarisch ein eindeutig belegtes ein Kriegsverbrechen! Und wieder nur eine diplomatische Note unserer Regierung. Der erhobene Zeigefinger, aber keine Folgen!

Nach Angaben des Gaza Media Office hat die israelische Armee seit dem 7. Oktober 402 medizinische MitarbeiterInnen getötet. Eine der tödlichsten Kampagnen gegen medizinisches Personal in der neueren Geschichte gestartet. Die Angriffe auf medizinisches Personal sind Teil eines umfassenderen Angriffs auf die Infrastruktur des Gesundheitswesens in Gaza: 34 Krankenhäuser wurden zerstört und außer Betrieb gesetzt, ebenso wie 240 Gesundheitszentren und -einrichtungen und 142 Krankenwagen, die ebenfalls angegriffen wurden. Der Gesamtschaden am Gesundheitssektor wird auf über 3 Milliarden Dollar geschätzt; die medizinische Versorgung ist völlig unfähig, die dringenden Bedürfnisse der unter Belagerung und Bombardierung gefangenen Bevölkerung zu stillen. Die über 55000 getöteten in den letzten 600 Tagen entsprechen durchschnittlich 90 Getötete pro Tag. Wie lange will unsere Regierung da noch solidarisch zuschauen? Über 420 Entwicklungshelfer wurden getötet. 2/3 des Gazastreifens gelten mittlerweile als „no-go“-Zone oder unter Verdrängungsbefehl, sodaß 100000 ständig hin und herfliehen müssen! Am 5. Dez. 2024 erklärte Amnesty International in einer Recherche „Israel begeht Völkermord in Gaza“. Jetzt haben 77 Völkerrechtler angemahnt, das Völkerrecht zu beachten und am 7.April haben die Chefs von zahlreichen Hilfsorganisationen wie OCHA, UNICEF, UNWRA, WHO etc. eine gemeinsame Stellungnahme herausgegeben: „Die Welt muß dringlich handeln um die Palästinenser in Gaza zu retten.“ Ich zitiere:

„Seit über einem Monat sind aufgrund der israelischen Belagerung keine kommerziellen oder humanitären Lieferungen mehr nach Gaza gelangt. Mehr als 2,1 Millionen Menschen sitzen in der Falle, werden bombardiert und leiden erneut Hunger, während sich an den Grenzübergängen die Vorräte an Lebensmitteln, Medikamenten, Treibstoff und Unterkünften stauen und lebenswichtige Ausrüstungen blockiert sind. Berichten zufolge wurden allein in der ersten Woche nach dem Zusammenbruch des Waffenstillstands über 1 000 Kinder getötet oder verletzt – die höchste Zahl von Kindern, die in einer Woche im Gazastreifen ums Leben gekommen ist. Erst vor wenigen Tagen mussten alle 25 Bäckereien, die während des Waffenstillstands vom Welternährungsprogramm unterstützt wurden, wegen Mehl- und Gasmangels schließen. (…) Wir sind Zeugen von Kriegshandlungen in Gaza, die eine völlige Missachtung von Menschenleben darstellen. Neue israelische Vertreibungsbefehle haben Hunderttausende von PalästinenserInnen gezwungen, erneut zu fliehen, ohne einen sicheren Ort, an den sie gehen können.

Da die verschärfte israelische Blockade des Gazastreifens nun schon den zweiten Monat andauert, appellieren wir an die Staats- und Regierungschefs der Welt, dringend und entschlossen zu handeln, um die Einhaltung der Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts zu gewährleisten.“

 Und dann schreibt Oren Marmorstein, Sprecher des israelischen Außenministeriums, am 8. April 2025 dazu

„Es gibt keinen Mangel an humanitärer Hilfe im Gazastreifen.“

Es gibt hunderte Videos und Aussagen, teils sogar von israel. Soldaten, die diese mutmaßlichen Kriegsverbrechen dokumentieren. Diese Vorfälle allein sollte Aufruf dazu sein, die internationalen Institutionen wie den Internationalen Gerichtshof zu stärken, statt deren Geltung und Wichtigkeit ausgerechnet jetzt infrage zu stellen, wie es jüngst der mutmaßlich nächste Bundeskanzler getan hat.

In der englischen Zeitung The Guardian wurde am 7. April berichtet, wie Soldaten berichten, daß Israelisches Militär Gebiet am Rande des Gazastreifens zerstört, um eine „Todeszone“ zu schaffen. Das israelische Militär hat riesige Landstriche innerhalb der Grenzen des Gazastreifens zerstört und den Truppen befohlen, das Gebiet in eine „Tötungszone“ zu verwandeln, in der jeder Mensch, der es betritt, ein Ziel ist, so die Aussage von Soldaten, die den Plan ausgeführt haben. Israelische Soldaten berichten, sie hätten den Befehl erhalten, Häuser, Fabriken und Ackerland im Umkreis von etwa einen Kilometer um den Gazastreifen zu zerstören, um eine „Sperrzone“ zu schaffen. Sie wurden von Breaking the Silence gesammelt, einer Gruppe, die 2004 von israelischen VeteranInnen gegründet wurde, um die Realität des militärischen Gewaltmonopols auf die PalästinenserInnen aufzudecken. Die Soldaten erhielten „den Befehl, absichtlich, methodisch und systematisch alles zu vernichten, was sich innerhalb des festgelegten Gebiets befand, einschließlich ganzer Wohnviertel, öffentlicher Gebäude, Bildungseinrichtungen, Moscheen und Friedhöfe, mit sehr wenigen Ausnahmen“, so der Bericht weiter. Das Endergebnis war die Schaffung einer „Todeszone enormen Ausmaßes“, so der Bericht. Ein Unteroffizier des Pionierkorps berichtete: „Sobald ein Gebiet in der Umgebung so gut wie leer war, bekamen wir Einsätze, bei denen es im Wesentlichen darum ging, Häuser oder das, was von den Häusern übrig war, in die Luft zu jagen.“

Einer der Soldaten berichtete, dass seine Einheit angewiesen wurde, jeden und jede, der sich innerhalb der Sperrzone befand, bei Sichtkontakt zu erschießen. In ihrer Einheit herrsche die Mentalität, dass es so etwas wie „ZivilistInnen“ nicht gebe und jeder, der in die Sperrzone komme, als „Terrorist“ betrachtet werde. „Die Grenzlinie ist eine Tötungszone.“ Die Sperrzone macht etwas mehr als 15 % des Gazastreifens aus, der für die palästinensischen BewohnerInnen völlig unzugänglich ist. Dem Bericht zufolge entfallen 35 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche des Gazastreifens darauf.

 Das sind die Fakten! Und in Deutschland dagegen:

Die wirkmächtige Selbstverdummung der deutschen politischen Klasse in Bezug auf die Wahrnehmung solcher Verbrechen und völkerrechtswidrigen Taten von Vertreibung und Landraub auf Grund der Ideologie der bedingungslosen Ideologie der „Staatsraison“ führt dazu, dass Deutschland weiterhin fest an der Seite dieser rassistischen Regierung steht, und im Konflikt zwischen zentralen Grundgesetzrechten und der „Staatsraison für die Sicherheit Israels“ mehr und mehr innerdeutsch zunehmend einerseits israelkritische Äußerungen als Antisemitisch kriminalisiert.

Am Mittwoch dieser Woche forderte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster die Einstellung der humanitären Hilfe aus Deutschland für Gaza. Tatsächlich gelangen Seit 40 Tagen durch die Blockade des Gazastreifens keine einzigen humanitären oder medizinischen Hilfsgüter in den Gazastreifen.

Angesichts des brutalen und sinnlosen Krieges Israels in Gaza, bei dem über 50.000 Menschen getötet, etwa 200.000 Menschen verletzt und zum großen Teil verstümmelt wurden und 90 % der Infrastruktur zerstört worden ist , muss man diese Forderung als zynisch und menschenverachtend zurückweisen. Er begründet seine Forderung mit der Behauptung, Hamas habe das Flüchtlingshilfswerk der UNO für Palästina UNRWA infiltriert. Allerdings hat der Schweizer öffentlich-rechtliche Fernsehsender RSI in Beiträgen, Recherchen und Interviews u.a. mit hohen UN-Vertretern wie Philippe Lazzarini und Natalie Boucly nachgewiesen, dass derartige Behauptungen nicht nachgewiesen werden konnten. In Gaza beträgt die Zahl der UNRWA-Mitarbeiter 13.000. Selbst wenn die umstrittene Behauptung zuträfe, dass etwa 7 oder 8 Mitarbeiter für Hamas tatsächlich gearbeitet hätten, wäre es absurd und ungerechtfertigt, aus diesem Grund die Einstellung der humanitären Hilfe durch die Vereinten Nationen zu verlangen.

Und ich empfehle allen, die noch Zweifel haben an den Einstellungen der von der Bundesregierung mitfinanzierten Organisationen der max. ca. 40 % des organisierten deutschen Judentums die Lektüre der Deutsch –Israelischen Gesellschaft vom 10.4. 2025 „Staatsraison ausbuchstabieren – Erwartungen der DIG an die neue Bundesregierung“. Leider äußert sich die große Masse der demokratisch gesinnten Juden in Deutschland nicht. Aber bemerkenswert ist auch die Zuwanderung junger demokratisch gesinnter Juden aus Israel, die das dortige rechtsradikale Politische System nicht mehr ertragen. Und letztlich bieten die Passagen im Koalitionsvertrag der zukünftigen Regierung wenig Hoffnung auf eine Kehrtwende der fatalen deutschen Israelpolitik, die Deutschland international immer weiter isoliert.

Selbst in Israel sehen Menschen, dass ihre Regierung sie in den Abgrund führt. Der in England lebende Wissenschaftler Avi Schleim warnt, daß diese Politik letztlich zur Zerstörung Israels von innen führt und aktuell fordern der Komponist Ofer Waldmann und 350 namhafte Schriftsteller und Wissenschaftler Israels ein sofortiges Ende des Gazakrieges, Schweigen sei keine Option und sie hoffen auf eine Signalwirkung ihrer Stellungnahme. Ob allerdings die faschistischen Minister Smotrich und Ben Gvir oder die Siedlerführerin Daniella Weiss, die schon jetzt die Wiederbesiedlung des von Palästinensern geräumten Gazastreifen organisiert aufruft, darf bezweifelt werden. Denn in einem früheren Einspieler bei den ARD-Tagesthemen am 11.1.2024 formulierten Bewohner der Westbank: „Wenn wir fertig sind mit Gaza, dann gehen wir zurück“ und „Ich will ein Haus am Strand, wir müssen dahin, das ist unser Land“. Das war lange vor den obskuren Plänen des amerikanischen Präsidenten aus Gaza eine neue Reviera zu machen. Und letztlich sei erinnert an den Beschluss der Knesset vom 18. Juli 2024, wo mit Mehrheit bei nur 9 Gegenstimmen und 43 Enthaltungen beschlossen wurde, niemals einen palästinensischen Staat zuzulassen, auch nicht, wenn es zu friedlichen Verhandlungen käme. Ebenso bekannt ist der Generalplan von Giora Eiland, ehemaliger Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats, ehemaliger Militärs und anderer Strategen, in dem gefordert wird, die Evakuierung des nördlichen Gazastreifens anzuordnen und die verbliebenen auszuhungern. Oder die zahlreichen Äußerungen daß es Palästinenser eigentlich nicht gäbe oder sie als Tiere zu bezeichnen, wie der ehemalige Verteidigungsminister Joaw Galant, der schon am 10.10.2023die klar unmißverständliche Vorgabe formulierte: „Wir kämpfen hier gegen menschliche Tiere und wir handeln dementsprechend.“ Diese Wortung hat Tradition, denn schon Golda Meir verneinte die Existenz von Palästinensern.

Alles ist unserer politischen Klasse bekannt !!!

Der franz. Dichter Jean Paul Sartre hat einmal gerufen: „Wenn Ihr Eure Augen nicht braucht um zu sehen, werdet Ihr sie brauchen, um zu weinen“.

Liebe Freundinnen und Freunde

Bitte hört nicht auf, über Gaza, die Westbank und Ostjerusalem zu sprechen. Hört nicht auf zu demonstrieren! Kommt an den Wochenenden zu unseren Demonstrationen gegen den genozidalen Gazakrieg und Terror in der Westbank und OstJerusalem!

Fordern wir die Regierung auf:

  • sich für einen sofortigen bedingungslosen Waffenstillstand einzusetzen
  • sofort alle Waffenlieferungen und Geldtransfers nach Israel zu unterbinden
  • die internationalen Gerichtshöfe und die dort anhängigen Klagen gegen Israel zu unterstützen

Es gibt in der palästinensischen Kultur die Begriffe  Sumud (durchhalten/ standhalten) und auda (Rückkehr). Das sind Grundlagen der eigenen Identität, die besagen, dass die Palästinenser nicht aufgeben werden.

Trotz allem, was passiert, wird Palästina nicht untergehen. Palästina wird Leben und Israel im Bewußtsein der meisten Länder der Welt mehr und mehr ein „Schurkenstaat“, wie ein Leitartikler der ZEIT am 10. April fragend formuliert!

Es lebe Palästina!

Ich danke euch/ Ahukran Jazelaan

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