Wir dokumentieren eine Rede, gehalten auf der palästinasolidarischen Mahnwache in Bremen am 7.6.2025 – dem Tag, an dem die israelische Armee laut Presseberichten 75 Menschen in Gaza tötete, davon allein 8 durch Schüsse bei einem der Verteilzentren, die eigentlich Hilfsgüter für die Verhungernden bereitstellen sollen.
„Wer aus den Verbrechen der Nationalsozialisten im Dritten Reich ein Existenzrecht für Kolonial- und Apartheitsstaaten ableitet, hat nicht die richtigen Lehren aus dem Holocaust gezogen.
Die zwei Worte „Nie wieder“ sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Sie drücken das Bedürfnis aus, ein schlimmes Erlebnis nicht noch einmal erleben zu müssen, dass etwas Schreckliches nicht noch einmal passiert, eine schmerzhafte Erfahrung nicht noch einmal gemacht werden muss. Im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg werden die Worte von den meisten Menschen in Deutschland und auch in der übrigen Welt im Sinne von „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ interpretiert. Die Überlebenden von Buchenwald sollen bei ihrem Schwur „Nie wieder“ skandiert haben. Sie gelobten:
– ZITAT – Wir werden den Kampf erst aufgeben, wenn der letzte Schuldige vom Gericht aller Nationen verurteilt ist. – Die endgültige Zerschmetterung des Nazismus ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal. – ZITAT ENDE –
Frieden und Freiheit für alle Menschen sind für viele Menschen überall auf der Welt die Lehren aus dem Faschismus. Eine gerechte Welt, in der alle Menschen die gleichen Rechte haben und jedes Leben gleichermaßen zählt.
Dies ist allerdings nicht die Bedeutung, die viele jüdische Menschen und insbesondere viele Anhänger des Zionismus den beiden Worten geben. „Nie wieder“ bedeutet für sie in erster Linie „Nie wieder wehrlos“ und sie verbinden die Worte mit der Überzeugung, lieber Täter als Opfer zu sein. Der Holocaust wird so zur Rechtfertigung des Staates Israel und für die gewaltsame Vertreibung und jahrzehntelange Unterdrückung eines anderen Volkes. Für den Fortbestand und die vornehmliche Verteidigung des Staates, der ihnen als „einzig sicherer Ort auf dieser Welt gilt, sind alle Mittel gerechtfertigt und keine Skrupel angebracht. Die Selbstverständlichkeit, mit der israelische Soldaten ihre eigenen Kriegsverbrechen filmen, erzählt viel über diese Mentalität.
Der rassistische, reaktionäre und repressive Charakter, der dem Gedanken eines zionistischen Staates inhärent ist, wurde von der Jewish AntiFa Berlin vor Kurzem treffend beschrieben:
– ZITAT – In der deutschen Linken ist es gebräuchlich, den Staat Israel als einen „Jüdischen Staat“ zu bezeichnen. Es ist erstaunlich, dass diejenigen, die einen „Islamischen Staat“ ablehnen würden und sicherlich auch die Idee, staatlich zugestandene Rechte und Freiheiten an die ethnische und religiöse Zugehörigkeit seiner Bürger:innen zu binden, keinerlei Bedenken bezüglich eines „Jüdischen Staates“ haben.
Wir sehen im „Jüdischen Staat“ einen rassistischen und diskriminierenden Begriff, der diejenigen Jüd:innen und NichtJüd:innen, die zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer leben, betrifft, sowie auch die Bevölkerung der von Israel kontrollierten palästinensischen Gebiete, die seit Jahrzehnten von systematischer, alltäglicher Diskriminierung betroffen ist – sei es durch die Konfiszierung von Land oder Gefängnisstrafen, Demütigungen und physischer und psychischer Gewalt. Die Hoffnungen dieser Menschen auf ein Leben in Prosperität und Sicherheit werden als ein Resultat der kolonialistischen Bestrebungen des „einzigen demokratischen Staates“ im Nahen Osten zerstört. – ZITAT ENDE –
Das Zitat zeigt, dass auch einige jüdische Menschen in Deutschland ein Problem mit dem Staat Israel und dessen Politik haben. Aber auch in Israel gibt es Proteste gegen den fortlaufenden Genozid und Juden, die sich in fundamentaler Opposition zu dem Staat, in dem sie leben, befinden:
Vor einigen Tagen versammelten sich tausende Jerusalemer auf den Gehsteigen und zeigten in einem stummen Protest die Bilder von in Gaza getöteten Kindern.
In Me’a Sche’arim, einem Stadtteil von Jerusalem, schwenken ultraorthodoxe Juden Palästina-Fahnen und liefern sich Straßenschlachten mit der israelischen Polizei. Sie sind der Auffassung, dass die zionistische Ideologie gegen die jüdischen Glaubensgrundsätze verstößt und Israel den jüdischen Namen und den Palästinensern das Land gestohlen hat.
Während in den westlichen Staaten bisher nur eine Minderheit diesen folgerichtigen, zutiefst humanen, egalitären und progressiven Gedanken folgt und von den Regierenden unterdrückt, diskriminiert und verfolgt wird, ist die Position des Globalen Südens eindeutig:
Ein Staat, dessen Gründungsakt in der massenhaften Ermordung und gewaltsamen Vertreibung der indigenen Bevölkerung besteht,
Ein Staat, der einem Großteil der Menschen, die in dem von diesem Staat kontrollierten Gebieten leben, seit Generationen die grundlegendsten Rechte verwehrt, sie einsperrt und sie fortgesetzt demütigt und erniedrigt,
Ein Staat, der die Zivilbevölkerung in den Gebieten, die er illegal besetzt hält, über Jahrzehnte hinweg regelmäßig mit Bombenangriffen überzieht und jetzt einen über Monate andauernde Genozid verübt, dessen letzte und bisher extremste Stufe der Hungertod ist,
Ein Staat, der sich das Recht herausnimmt, überall in der Welt zu morden, Menschen zu entführen und terroristische Anschläge zu verüben,
Ein Staat, der sich außerhalb jeden internationalen Rechts stellt und die Beschlüsse und den Willen der internationalen Weltgemeinschaft missachtet und ignoriert,
Ein solcher Staat ist kein demokratischer Staat. Er ist auch nicht verteidigenswert. Im Gegenteil: ein solcher Staat muss notwendigerweise der Vergangenheit angehören, wenn die Welt zu einem besseren Ort für alle Menschen werden soll.“