
Wir dokumentieren eine Rede zum Veteranentag 2025, gehalten am 15.6. in Bremen:
Friedensfreundinnen und Freunde, bei der Bundeswehr hieße es: Stillgestanden, Augen geradeaus, rührt euch.
Ich habe euch eine dienstliche Mitteilung zu machen – Ohren frei zum Gefecht.
Auf der Werbung für diesen Tag ist ein Beinamputierter zu sehen.
Da frage ich – was wollte er denn jetzt feiern? Wenn er in Afghanistan war, was wollte er da und wofür hat er sein Bein geopfert? Ist er so dumm?
Die Freiheit Deutschlands sollte am Hindukusch verteidigt werden. Die Freiheit Deutschlands soll jetzt im chinesischen Meer, in der Ukraine und im Baltikum demnächst wieder verteidigt werden.
Als Veteran der Bundeswehr, der wem eigentlich gedient hat, möchte ich euch meine persönliche Geschichte erzählen, die sich von Millionen anderen , auch von Veteranen nicht unterscheidet.
Deutsche Armeen haben in Europa zweimal unsägliches Leid angerichtet, auch an sich selbst.
Fangen wir im Ersten Weltkrieg an: mein Großvater, ein Arbeiter im Sägewerk einer kleinen Gemeinde im Weserbergland, konnte auch mit Pferden umgehen und wurde so Kanonier mit zwei Pferden, die eine Kanone in Verdun zogen. In Matsch und Schlamm, im Getöse der Granaten, mit scheuenden Pferden, hatte er Glück. Er wurde 1918 unverletzt auf dem Bremer Marktplatz von General Hagedorn nach Hause entlassen. Was er in Frankreich wollte, „jeder Stoß ein Franzos“ hat er nie erzählt. Französisch sprach er auch nicht, nur Plattdeutsch.
Mein Vater wollte von der Hitlerjugend zur SS. Gott sei Dank hat der Opa es nicht erlaubt, denn mein Vater war 17. Der Zettel kam in den Ofen. Dennoch wurde er 1942 von der Wehrmacht eingezogen und war als Pionier/also Brückenbauer in Belgien. Als die Amerikaner 1944 endlich und spät kamen, sprang er in den Fluss und wurde gefangen genommen, kam ins Lager der Amis. 1945 durfte er nach Hause. Sein Bruder, mein Onkel, starb mit 17 an Tuberkulose, weil alles Penicillin an der Front war. Auch mein Vater hat nicht über Krieg gesprochen.
Seine Mutter, meine Oma, hatte 11 Geschwister, 4 Mädchen, 7 Jungen. In einem Ort im Weserbergland mit ca. 100 Einwohnern. Ich besuchte die Uroma mit 15 und sie zeigte mir im Wohnzimmer einen Sessel. „Hier saß ich, mein Junge, im Krieg und guckte aus dem Fenster. Der Postbote kam. Ich dachte, zu mir nicht, wer sollte uns schreiben?“ Doch er kam. Ein Brief von der Ostfront: ihr Sohn Otto war heldenhaft in Russland gestorben, mit 20 Jahren. Seitdem saß sie immer in dem Sessel, der Briefträger kam noch 5 mal. 6 ihrer Söhne, die Brüder meiner Oma, alle zwischen 18 und 30 Jahren waren in Russland gefallen. Irgendwo und mausetot.
Gefallen sagt man beschönigend hinterher, keiner weiß wo, keiner weiß wie, vor allem keiner weiß warum?
Deserteure und Verweigerer wurden oft erschossen.
Sinnloser als Kanonenfutter im Krieg zu sterben geht nicht. Sie wurden dahin geschickt, es wurde befohlen. Die Untermenschen, Bolschewiken und Juden, Kommunisten und Russen sollten ihre Feinde sein. Bodenschätze und Raum sollten erobert werden, darum ging es den Herrschenden. Die Propaganda wirkte auch damals. Das wusste schon Hermann Göring und „kriegstüchtig“ prägte schon Göbbels. Den menschenfeindlichen Hass brachten sie nicht mit, er wurde ihnen antrainiert und durch Befehl und Gehorsam umgesetzt. 5 Millionen deutsche Soldaten, 27 Millionen Russen wurden umgebracht. Die Sowjetarmee besiegte die Wehrmacht und blieb bis 1989/90 in der DDR stationiert.
Die Lehren aus den Kriegen wurde nicht gezogen: Nie wieder Faschismus, besonders nie wieder Krieg. Nahtlos ging man mit den Amerikanern und Briten den Weg der Wiederaufrüstung, Wiederbewaffnung und Neugründung einer deutschen Streitmacht, der Bundeswehr. Mit ihr in den kalten Krieg, denn der Bolschewik, der Russe stand vor der Tür. Zumindest hinter einem eisernen Vorhang. Gegründet mit vielen Altnazis und Wehrmachtsoffizieren, die ihre „Erfahrung“ aus Kriegen gerne einbrachten und aus der Geschichte nichts gelernt hatten. Die Politik setzte wieder auf Aufrüstung, Waffenproduktion, Kasernen und Soldaten. 1955 , nur 10 Jahre nach der Kapitulation der Wehrmacht, gründete man die Bundeswehr. Natürlich als Armee für den Frieden. Wer glaubt denn, dass die Bevölkerung, die Politik, die Armeeoffiziere geläutert und friedensfähig ihre Gesinnung, den Faschismus, den Krieg schon verarbeitet hätten. Bis heute kann man daran zweifeln.
Man begab sich unter die Fittiche der Briten und Amerikaner, unsere „Freunde“, die ihr Militär und ihre Stützpunkte behielten bis heute, bestückt auch mit Atomwaffen wie in Büchel.
So gab es wieder einen Wehrdienst, eine Wehrpflicht, ein Dienen für das Vaterland, Befehl und Gehorsam, Kasernen, die die Namen der Hitler-Offiziere trugen. Dann die sogenannten Bürger in Uniform, sie sollten dem Ganzen ein harmloses Tarnmäntelchen umhängen. Die Wehrpflicht wurde von 18 Monaten auf 15 gesenkt als ich an der Reihe war.
1971 wurden wir gezwungen zur Musterung. Als guter Sportler nützten meine Verstellungen nichts und ich war tauglich. Ich verweigerte schon damals und wurde in der Verhandlung von drei hohen Offizieren im Ruhestand nicht anerkannt. Ich ging in die zweite Instanz, die ich gewonnen hätte. Aber die Verhandlung wurde dermaßen verzögert, dass ich zurückzog und prompt eingezogen wurde. Einige Freunde waren damals auch nicht unbedingt dagegen, dass man sich den Betrieb auch von innen ansehen konnte und eventuell durch kleine Sabotageaktionen auch sein „Dagegen“ ausdrücken konnte.
Und, liebe Jugendliche, aufgepasst. In der Kaserne weht ein anderer Wind, nicht der für Bürger in Uniform, nein, für Befehlsempfänger, für Gehorsam, für unsinnige Befehle, die ausgeführt werden müssen, so sinnlos sie auch sind. Es heißt nicht umsonst Drill. Und das Gehen wurde zum Marschieren, das Antworten zu sprachlich reduziertem „Jawoll, Herr Irgendwer“. Nur ranghöher musste er sein. Hierarchie ist alles: Schütze Arsch, Gefreiter, Obergefreiter, Hauptgefreiter, Unteroffizier, Stabsunteroffizier, Feldwebel, Oberfeldwebel, Hauptfeldwebel, Leutnant, Oberleutnant, Hauptmann, Major, Oberstleutnant usw. usf. Die Hälfte davon ist ganz vorn an der Front, die anderen sitzen sicher hinten oder verschwinden, wenn der Ernstfall eintrifft.
Probleme gab es viele: Die meisten waren fernab ihrer Heimat stationiert, konnten selten nach Hause, Beziehungen litten, Ehen zerbrachen, Autounfälle mit Toten auf dem Heimweg, weil es schnell gehen sollte am Wochenende, Alkoholismus, Schulden. Für Befehlsverweigerung gab es Haftstrafen. Stuben wurden schikanös nach Staubkörnchen gefilzt, Hemden im Schrank mussten auf DIN A4 gefaltet sein, die Waffe-G3 musste immer fein geputzt und geölt sein. Und zwischendurch immer wieder antreten und sich unsinnige Anweisungen in gebrüllter Form anhören. Wegen meines Haarwuchses und der Unmöglichkeit diese in ein Haarnetz zu zwängen, wurde ich von Feldjägern verhaftet und angezeigt: „So könnte ich in Kiel auf der Straße nicht ‚rumlaufen“. Für Verhalten meiner Kameraden sollte ich oft Verantwortung übernehmen als Vertrauensmann. Auf Übungen musste ich die Offiziere mit Skatkarten, Gin und Tonic versorgen, selbst im Zelt frieren und die Herren hatten es schön warm.
Ein General besuchte uns im Unterricht Infanteriegefechtsausbildung und fragte, was wir bei anrückenden Panzern des Feindes und wir im Schützengraben mit unserem Gewehr tun müssten.
Wir waren drei Gleichgesinnte, die antworteten: Einer würde flüchten, ganz schnell. Der Zweite würde sich ganz tief eingraben, also verstecken. Ich wollte meine weiße Unterhose an das Gewehr binden und mich ergeben. Der General schäumte vor Wut und Erregung. Unser Ausbilder wurde gerügt: Alles wäre unmöglich, wir müssten mit den Gewehren gegen die Panzer schießen. Warum? Damit sich die Offiziere im Rückraum verziehen konnten.
Und diese Beschreibung ist für Zeiten, die keinen Kriegseinsatz beinhalteten.Heute sieht es anders aus: Gaza und Ukraine, Millionen auf der Flucht. Vietnam und Irak, Libyen und Syrien und nicht zuletzt der von der Bundeswehr mitgetragene Krieg gegen Serbien, der Einsatz am Hindukusch mit 60 Toten Deutschen, aber über 240000 Afghanen. 5 Millionen auf der Flucht.
Die Politik wird nicht klug.
Kanonenfutter in Schützengräben, wenig Chancen zu überleben bei den heutigen Waffen, 1o Meter vor, 10 zurück wie in der Ukraine, hinterher einen Namen auf einem Gedenkstein.
Alle, die das wollen, sollen sich und ihre Liebsten an die Front schicken und die Lüge einlösen, die sie uns erzählen, dass ‚unsere Werte‘ verteidigt werden und dass der Russe in drei Jahren angreift.
Was wollen uns feiernde Veteranen mitteilen? Dass es toll ist, sein Leben als Kanonenfutter hinzugeben.
Der Krieg dient immer den Reichen – die Armen geben die Leichen
Als Veteran beglückwünsche ich und freue mich über
jeden und jede, die verweigert.
Jeden und Jede, die desertiert
Jeden und Jede, die sich diesem Gemetzel verweigert
Die Veranstaltungen bundesweit und hier im Rathaus verhöhnen die Kriegsopfer, Traumatisierten, die Väter und Mütter der umsonst geopferten Menschen, auch wenn sie freiwillig hingingen.
Frieden, Diplomatie, Waffen nieder, das ist menschlich. Töten und getötet werden nicht.
Erich Fried: „Der Krieg, der stellt die Weichen, links die Leichen, rechts die Reichen.“
Friedensfreundinnen und Freunde Danke und Weggetreten !