Einer Gruppe von SPD-Mitgliedern ist es gelungen, für heute abend (08.05.24, 19 Uhr im Haus der Wissenschaft) den renommierten Historiker und Antisemitismusforscher Moshe Zimmermann nach Bremen zu holen. Für die Veranstaltung ist eine Anmeldung erforderlich (warum eigentlich?). Außerdem gibt es ein ganzseitiges Interview mit dem Gast im Weser Kurier von heute (leider hinter Bezahlschranke).
Hier einige Auszüge:
„Ihr Vortrag in Bremen trägt den Titel „Niemals Frieden?“ Das wäre eine sehr bedrückende These. Wird es im Nahen Osten wirklich niemals Frieden geben?
Moshe Zimmermann: Noch bedrückender ist die Antwort auf diese Frage. Es sieht im Moment so aus, dass man im Nahen Osten es nicht schaffen kann, den Weg zum Frieden zu öffnen. Beide Seiten verharren auf ihren Glaubensbekenntnissen, gehen davon aus, dass die andere Seite nie Partner zum Frieden sein könnte. Deshalb ist es eine sehr deprimierende Perspektive.
Aber bezieht sich diese Perspektive nicht nur auf die Extremisten auf beiden Seiten? Israel ist mehr als seine rechtsreligiöse Regierung, Palästina mehr als die Hamas. Könnten die gemäßigten Kräfte auf beiden Seiten nicht eher zueinander finden?
Es gibt immer eine Alternative, und die Stimmung kann sich irgendwann ändern. Aber wenn wir über extreme Strömungen sprechen, haben wir in der Regel eine Vorstellung von einer kleinen Minderheit auf der einen oder auf der anderen Seite. Die Extremisten auf beiden Seiten sind aber in unserem Fall deswegen erfolgreich, weil sie einen sehr breiten Rückhalt haben. In Israel wie in Palästina sind sehr viele Leute der Meinung, dass die Extremisten eigentlich im Recht sind.
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Es wird nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Hamas die vollständige Kontrolle über den Gazastreifen verliert. Könnte es passieren, dass die Hamas diesen Krieg psychologisch gesehen doch gewinnt, weil sie dadurch eine breitere Unterstützung in der islamischen Welt bekommt, die sie vorher nicht hatte?
Es ist nicht wie im Fußball, wo man Bescheid weiß, wann ein Spiel gewonnen oder verloren wurde. Welche Kriterien hat man, um das einzuschätzen? Die Tatsache, dass Israel sich im Gazastreifen befindet, bedeutet nicht, dass die Hamas verloren hat. Sie schießt auch weiter Raketen Richtung Israel ab, ist noch militärisch präsent. Auch wenn die Kämpfer getötet sind, bedeutet das nicht das Ende der Hamas als Organisation. Vielleicht wird sie am Ende sogar mehr Unterstützung erhalten in der palästinensischen Bevölkerung. Dann könnte der Krieg am Ende sogar zu einem Pyrrhussieg für Israel werden.
Stellt der Anschlag vom 7. Oktober 2023 aus israelischer Sicht nicht eine Art gebrochenes Sicherheitsversprechen dar, das der Staat Israel seinen Bürgern gegeben hat?
Ich habe das noch radikaler formuliert. Was hier passierte, war ein Versagen der zionistischen Ideologie, ein Versagen des Staates Israels. Das Grundversprechen der Zionisten ist, einen sicheren Ort für Juden zu schaffen, damit nicht wieder passieren kann, was Juden in der Diaspora in den vergangenen 2000 Jahren immer wieder passierte – Pogrom und Massenmord. Dieses Versprechen hat man nicht eingehalten. Mehr als 1000 Leute wurden massakriert. Das waren Zivilisten im Kernland Israel, nicht etwa radikale Siedler aus der Westbank.
Wie kann und sollte der Westen nun reagieren?
Was man braucht, ist eine diplomatische Anstrengung um eine Annäherung zwischen Israel und Palästina. Das kann nur die internationale Gemeinschaft sein. Es braucht Vermittler, ehrliche Makler, die aber auch politischen und wirtschaftlichen Druck ausüben können. Die Europäer sollten da eine andere Rolle übernehmen, sich stärker einzumischen. Die Tatsache, dass es zum 7. Oktober gekommen ist, hat auch etwas damit zu tun, dass sich die USA und Europa zurückgezogen haben. Wenn man konstruktiv sein will, dann muss man intervenieren.
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