JETZT empört Ihr Euch? Nach 10 Monaten Völkermord und Vertreibung empfindet Ihr einen leisen Anflug von Empörung? Weil Smotrich es bedauert, dass die Weltgemeinschaft ihm nicht erlaubt, zwei Millionen Palästinenser zum verhungern zu zwingen?
JETZT empört Ihr Euch?
Warum habt Ihr Euch nicht empört, als Joav Gallant letzten Oktober äußerte: „Es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben“ und dies umgehend in die Tat umsetzte.
Warum habt Ihr Euch nicht empört, als er sagte: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und wir handeln dementsprechend“?
Warum habt Ihr Euch nicht empört, als Itamar ben-Gvir vorschlug, die Todesstrafe für palästinensische Inhaftierte einzuführen, um so der Überfüllung der Gefängnisse mit zumeist ohne Gerichtsverfahren festgehaltenen Paläsinensern entgegenzuwirken?
Warum habt Ihr Euch nicht empört, als zuerst 50 Kinder, dann 100, dann 1000, 2000, 3000 und bis heute 15.000 Kinder im Rahmen dieses israelischen Rachefeldzuges ermordet wurden?
Warum habt Ihr Euch nicht empört, als bekannt wurde, dass Operationen, ja sogar Amputationen und auch Geburten ohne jede Anästhesie vorgenommen werden mussten, weil Israel auch die medizinischen Hilfslieferungen nicht ins Land ließ?
Warum habt Ihr Euch nicht empört, als eine Schule nach der anderen, ein Krankenhaus nach dem anderen, eine Wasserentsalzungs- oder -aufbereitungsanlage nach der anderen mutwillig von Israel zerstört wurden?
Warum habt Ihr Euch nicht empört, als auch Deutschland dem Hilfswerk für palästinensische Geflüchtete, dem UNRWA, die finanzielle Unterstützung entzog, weil Israel behauptete, ein Teil der UNRWA-Mitarbeiter arbeite mit der Hamas zusammen? Eine Behauptung, die übrigens bis heute weder durch Fakten noch durch Beweise verifiziert wurde.
Warum habt Ihr Euch nicht empört?
Ihr habt Euch aber nicht nur nicht empört, sondern all diese Verbrechen mit unterstützt, weil Ihr wie Schoßhündchen der regierenden Klasse das geltende Narrativ nicht hinterfragt und stattdessen eifrig und gehorsam weiter verbreitet habt.
Ihr habt all diese Verbrechen mit unterstützt, weil Ihr Euch gemein gemacht habt mit der „deutschen Staatsräson“, mit Waffenlieferungen, mit Rüstungsgewinnen in Milliardenhöhe, mit Völkermord, anstatt die Entscheidungen der Regierung zu hinterfragen — was eigentlich Euer Job gewesen wäre — und gegebenenfalls zu kritisieren und öffentlich anzuprangern.
Ihr habt all diese Verbrechen mit unterstützt, weil Ihr all jene, die für Palästina auf die Straße gegangen sind, diffamiert habt — als Antisemiten, Rassisten, Nazis. Ihr habt geklatscht, als sie abgeführt und misshandelt wurden. Ihr habt der Spaltung der Gesellschaft Vorschub geleistet, weil Ihr in Schwarz-Weiß geschrieben habt, nicht differenziert habt, weil Ihr Euch habt vorschreiben lassen, wer in diesem Konflikt „die Guten“ und wer „die Bösen“ sind. Und wer vom Narrativ abwich, gehörte automatisch auch zu „den Bösen“.
Ihr seid in Deutschland bei den von der Regierung ausgerufenen Demos „Laut gegen rechts“ mitgelaufen, habt durch Eure Berichte ihren Sinn und Zweck bestätigt und gar bewundert, ohne gleichzeitig eine der rechtsextremsten und rassistischsten Regierungen anzuprangern — die Regierung Israels.
Smotrich sagte, es sei moralisch und gerechtfertigt, zwei Millionen Palästinenser zum Hungertod zu zwingen, aber die Weltgemeinschaft ließe das nicht zu. Wirklich nicht? So wie Ihr bisher gehandelt und geschrieben habt, bin ich mir da gar nicht so sicher.
Oder wird aus Eurem Anflug der Empörung nun endlich eine Flut des Verständnisses für das unvorstellbare Leid der Palästinenser?
Werdet Ihr nun endlich Eurem journalistischen Auftrag gerecht und berichtet neutral und unabhängig — der Wahrheit mehr verpflichtet als der „deutschen Staatsräson“ und einem sicheren Platz an den journalistischen Fleischtrögen ?
Bis jetzt habt Ihr auf der ganzen Linie versagt. Zeigt uns nun, ob auch Anstand, Mitgefühl und ein Sinn für Gerechtigkeit in Euch stecken.
Bremen, 11.8.2024 Gabriele Herb
Ganz herzlichen Dank für diesen wunderbaren Brief an die Medienmacher, der mir so sehr aus dem Herzen spricht und dem ich wünsche, dass er bei den Adressaten endlich ein Echo findet.