Wie gefährlich war Ricarda Langs Taxifahrt?

Ein Lehrstück
in Sachen ‚Werteorientierung‘ und Doppelmoral.

Die Akteure:

1. Akt: „Wie gefährlich war Ricarda Langs Taxifahrt?“

Unter dieser Überschrift verbreitete Bild-Online am 19.8. einen Artikel, der umstandslos das Tragen eines „Palestinenser-Tuches“ mit „Israel-Hass“ und „Israel-Feindschaft“ in Eins setzt – wir dokumentieren ein Bildschirmfoto (oben, lesbar wenn man das Bild anklickt).

2. Akt: „Aufmerksame Bürger:innen werden aktiv“

Erste Reaktion aufmerksamer Bürger:innen im Netz:

A: „Ich bin sprachlos über die Axel Springer Idioten ????
Da müssen wir unser Kampf ansetzen und zwar den Eingang blockieren..“

Doch dann der Vorschlag:

B: „Die Bild[-Zeitung] gibt es doch auch online. Könnte man ja mal hier melden:“

und dann folgt im Vorschlag der aufmerksamen Bürger:in ein Link zur Säule der Demokratie, zu den Aufrechten gegen Hass und Hetze: zum BKA, Meldestelle Hasspostings.

Wir zitieren aus deren Selbstverständnis:

„Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern geht das BKA mit der ZMI BKA konsequent gegen Hass und Hetze im Netz vor. Mit dieser Kooperation soll einer zunehmenden Verrohung der Kommunikation in sozialen Netzwerken entgegenwirkt und eine effektive Strafverfolgung der dort begangenen Straftaten wie Propagandadelikten, Volksverhetzungen oder Bedrohungen ermöglicht werden.“

Bravo möchte man rufen – das BKA geht der „Bild“ jetzt an den Kragen, nie wieder Hass und Hetze aus dieser Richtung!

3. Akt Die aufmerksamer Bürger:innen: Gesagt – getan

B: Ob sie was machen!? Warten wir mal ab..
C: Da bin ich auch gespannt.

4. Akt: Die Staatsmacht räumt auf mit Hass und Hetze! … Oder auch nicht

Wenig später die Antwort vom

BKA / HessenGegenHetze, Meldstelle Hasspostings:

Sehr geehrte Mitteilerin,
sehr geehrter Mitteiler,

vielen Dank für Ihre Meldung, die wir unter dem Geschäftszeichen 03y02-05-19-F-2024-152740-000 bearbeitet haben.

Wir haben den von Ihnen beobachteten Inhalt und den damit im Zusammenhang stehenden Kontext dokumentiert, übergeprüft und
bewertet.

Nach unserer Bewertung bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Gefährdungslage, strafbare oder extremistische Inhalte.
Von einer Übermittlung an andere Behörden haben wird daher abgesehen.

Mit Ihrer Meldung haben Sie einen wichtigen Beitrag geleistet, um gegen Hate Speech vorzugehen. Jede eingehende Meldung hilft uns
dabei, Hate Speech greifbar zu machen, nicht unwidersprochen stehen zu lassen und Impulse für die Beratung und Unterstützung von
Betroffenen zu geben. Ihre Meldung trägt deshalb auch dann zu einem fairen, rücksichtsvollen und respektvollen Miteinander in digitalen
Räumen bei, wenn sie nicht strafrechtlich verfolgt werden kann.

Uns ist bewusst, dass es sich für alle Beteiligten um eine schwierige Situation handelt, in der Fragen offenbleiben können und
Unterstützung gewünscht sein kann. Uns steht ein großes Netzwerk zur Verfügung, aus dem wir Beratungs- und Präventionsangebote
beziehen. Können wir Ihnen mit den Kontakten aus diesem Netzwerk weiterhelfen?

Sollten Sie sonstige Rückfragen haben, sprechen Sie uns gerne unter Angabe der genannten Fallnummer an. Wir bedanken uns für Ihr
Engagement, Ihr Vertrauen und Ihre Mithilfe.

Ihr Team der Meldestelle HessenGegenHetze
Abteilung Cyber- und IT-Sicherheit, Verwaltungsdigitalisierung Referat VII 12 Hessen CyberCompetenceCenter

5. Akt: Was übrig bleibt

Reaktion der Bürger:innen:

A: Also sehen sie es nicht als Hetze????
B: Danke, dass du es versucht hast. Überraschend ist das natürlich nicht.
C: Danke Dir auch- es hätte mich auch überrascht wenn sie es als Hetze eingeschätzt hätten- hetzen tun nur die „Anderen „ mit der falschen Sichtweise- nichts desto trotz ist es wichtig,solche Dinge zu melden immer wieder- wenn sie schon solche idiotischen Stellen einrichten- so viel und so oft- das es Ihnen um die Ohren fliegt- danke Dir
D: danke für Euren Einsatz!
E: Bitte bitte. Die Antwort zeigt schon, dass das System sich in dem ein und dasselbe dreht. Für sie sind wir überflüssig und haben keine Rechte und dürfen uns nicht beschweren. Es wird immer heftige und der Ansehen Deutschlands ist immer tiefer gesunken. Wir werden alle nicht aufgeben! ????

6. Akt: Ein offener Brief an die Bild-Zeitung (und artverwandte Medien)

Sehr geehrte Bild-Redaktion,

Ihr Artikel „Wie gefährlich war Ricarda Langs Taxifahrt“ ist wirklich ein Lehrstücke in Sachen Hetze und wird deswegen auch der Meldestelle „Hasspostings“ des BKA zur Prüfung vorgelegt.

Schon im Teaser verallgemeinern und hetzen Sie: „Ihr Fahrer trug ein Palästinenser-Tuch, ein Erkennungszeichen der Israel-Feinde“. Wie kommen Sie darauf, das Palästinenser-Tuch als Erkennungszeichen der Israel-Feinde zu bezeichnen, wo Sie doch selbst später im Text ausführen, dass das Palästinenser-Tuch selbst keine eindeutige Bedeutung hat? Allerdings fügen Sie gleich hinzu, dass es von Judenfeinden und Terrorverharmlosern getragen würde, die zur Vernichtung Israels aufrufen. Das ist so bodenlos bösartig, dass es mir wirklich die Sprache verschlug.

Ich leugne nicht, dass es Antisemitismus in Deutschland gibt und bin wie Sie der Meinung, dass dieser in Deutschland keinen Platz haben darf. Ich bitte aber darum, zu differenzieren, dass es durchaus Kritik an Israel gibt, die nicht judenfeindlich ist. Sie setzen die Kritik an Netanjahus Regierung und Völkermord an den Palästinensern mit Judenfeindlichkeit oder gar Israelhass gleich und das ist unangemessen, finden Sie nicht auch? Wenn ich Macrons Politik kritisiere, bin ich ja deshalb auch nicht gleich ein Franzosenfeind oder Franzosenhasser  -oder?

Nun zu den Terrorverharmlosern: Ich möchte hier nicht den Terror der einen gegen den Terror der anderen Seite aufrechnen, aber Sie haben 10 Monate zu dem Terror geschwiegen, den Israel gegen Palästina ausübt. Über 60.000 Menschen, davon 16.000 Kinder, sind bereits von Israel ermordet worden, Schulen, Krankenhäuser, Wasserentsalzungsanlagen wurden dem Erdboden gleichgemacht, Lebensmittel und Medikamente dürfen nicht eingeführt werde. Wenn Sie dies nicht öffentlich anprangern, könnte man Sie auch als Terrorverharmloser bezeichnen – oder?

Weiter im Text: Da wird von Israel-Hassern gesprochen. Dazu gehören Ihnen zufolge Islamisten und Linksextreme, die die Kufiya auf pro-palästinensischen Demos tragen. Warum sind das dann gleich Israel-Hasser? Sie demonstrieren für ein Ende des Völkermordes und der israelischen Besatzung. Eine Besatzung, die laut UNO rechtswidrig ist. Ist Israel ein UNO-Hasser, weil es sich nicht an deren Resolutionen hält? Sie bezeichnen Palästinenser und Mitmenschen als Israel-Hasser, weil sie gegen das völkermörderische Verhalten auf die Straßen gehen. Sie bezeichnen israelische Politiker aber nicht als Palästina-Hasser, obwohl sie Palästina gerade in Schutt und Asche legen. Ich denke, ich brauche hier keine Zitate darüber bringen, wie verächtlich sich zum Beispiel Yoav Gallant und Itamar ben-Gvir über Palästinenser geäußert haben und darüber, wie sie vernichtet werden sollen. Sind solche Äußerungen nicht hasserfüllt? Warum werden sie dafür nicht angeprangert?

Sie fördern mit Ihrer Geschichte über einen Taxifahrer mit Kufiya das Feindbild des bösen Palästinensers. Warum? Ein frisch getrautes Ehepaar, das von einem Taxifahrer mit Kufiya zu seiner Hochzeitsnacht fährt, hätte doch ebenso als Sinnbild für Liebe, Völkerverständigung, gelungene Integration dienen können. Aber nein Sie machen daraus eine Horrorgeschichte, eine Gruselgeschichte: „Nein, was hätte da alles passieren können!“. Diese Hetze, dieses Schüren von Hass sind wahrlich verachtenswert.

Judenfeinde, Israelhass, Hitlergruß, Antisemiten  all das werfen Sie in einen Topf, rühren einmal schön um und fertig ist ein hetzerischer, aufrührerischer, gleichzeitig aber auch beeindruckend inhaltsleerer Artikel.

Und Sie nennen sich Journalisten?