Zivilklausel an der Bremer Universität erhalten!

Rede von Dr. Heiner Fechner, gehalten auf der Demonstration gegen Waffenexporte (auch aus Bremen) am 20.4.2024 in Bremen.

Heiner Fechner ist Co-Vorsitzender von IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht, Deutsche Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms.

Liebe Friedensfreund:innen,
ich bin von den Veranstalter:innen gebeten worden, ein paar Worte zur Zivilklausel zu sagen. Mein Name ist Heiner Fechner, ich bin Co-Vorsitzender der deutschen Sektion der IALANA, der Juristenvereinigung für Friedensrecht, und forsche an der Uni Bremen. Wir als IALANA verteidigen das Recht als Mittel zur friedlichen Beilegung von Konflikten. Der Leitspruch unseres ehemaligen Vorsitzenden Dieter Deiseroth war: Recht ist immer Friedensrecht. Denn Krieg oder kriegerische Gewalt psind letztlich immer ein rechtloser Zustand. Wir betrachten das Völkerrecht als Mittel, Kriege dauerhaft zu beenden. Dazu gehört natürlich auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das die USA mit ihrem Veto im UN-Sicherheitsrat gegen die Aufnahme Palästinas in die UN diese Woche erst wieder missachtet hat. Wie das Recht muss auch Wissenschaft stets dem Frieden dienen.

Zivilklauseln stehen dafür, dass Hochschulen Wissenschaft für den Frieden einsetzen. Sie fordern von den Hochschulmitgliedern ein, allein für zivile Zwecke zu lehren, zu lernen und zu forschen. Sie sollen insbesondere Kooperationen oder Drittmittelprojekte mit der Rüstungsindustrie und Streitkräften verhindern.

Die erste Zivilklausel wurde 1986 an unserer Bremer Universität eingeführt. Nach der Zivilklausel lehnt die Uni jede Beteiligung an Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab. 1991 hat der Akademische Senat das vertieft und festgestellt (Zitat): „die Universität Bremen ist dem Frieden verpflichtet und verfolgt nur zivile Zwecke.“ Die Zivilklausel ist in Bremen seit einigen Jahren auch durch das Hochschulgesetz abgesichert. Ähnliche Klauseln gibt es an 70 deutschen Hochschulen.

Aufgabe der Unis ist danach nicht die Erfindung der nächsten Generation von Panzern, Drohnen und Raketen. Ihre Aufgabe ist nicht die Forschung und Entwicklung sogenannter dual-use-Güter, die sowohl für friedliche als auch für kriegerische Zwecke eingesetzt werden können. Ihre Aufgabe ist nicht die Erarbeitung neuer Diskurse, um die Kriegsbereitschaft der Bevölkerung zu erhöhen. Und – am Rande bemerkt – ihre Aufgabe ist sicherlich auch nicht, Völkermorde oder Apartheidregime im Widerspruch zum geltenden Völkerrecht „wegzudefinieren“. Seien das nun historische Völkermorde der Deutschen im heutigen Namibia oder Tansania. Seien es Völkermorde während des 2. Weltkriegs beispielsweise an der russischen Bevölkerung durch das Aushungern des heutigen St. Petersburg, damals Leningrad. Sei es der aktuell mit guten Argumenten als Völkermord beschriebene Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung Gazas, der von Wissenschaftlern nicht weniger deutscher Universitäten verteidigt oder beschönigt wird. Die Kritik am Wegdefinieren entgegen den Friedenszielen der Wissenschaft gilt aber auch für die Lage des Siedlerkolonialismus in der Westbank, die von einem Großteil der internationalen Völkerrechtsexpert:innen als Apartheid bezeichnet wird. Zivilklauseln sagen hier: die Wissenschaft ist dem Frieden verpflichtet. Wissenschaft hat ethisch zu sein, sie darf nicht der Unterdrückung dienen.

Seit der von Kanzler Scholz ausgerufenen Zeitenwende stehen die Zivilklauseln unter Druck. Politiker der Regierungsparteien, aber auch der rechten Oppositionsparteien fordern mittlerweile offen, dass Schulen und Hochschulen mit der Bundeswehr kooperieren und auch Rüstungsforschung betreiben sollen. Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger von der FDP fordert die Abschaffung der Zivilklauseln. Die bayerische Landesregierung ist gerade dabei, ein Verbot von Zivilklauseln und eine Kooperationspflicht mit der Bundeswehr ins Hochschulgesetz zu schreiben. Diejenigen, die das fordern, sind die gleichen Politiker, die dafür gesorgt haben, dass Friedensgespräche und zivilgesellschaftlicher Dialog ins Abseits gestellt werden. Sie sind verantwortlich dafür, dass beispielsweise ein wissenschaftlicher Austausch mit russischen Forscher:innen fast unmöglich geworden ist, weil entsprechende Mittel gestrichen wurden. Sie sorgen dafür, dass Kommunikationskanäle gesperrt werden, sie setzen auf Waffen statt Gespräche. Bei ihnen tritt das Recht des Stärkeren an die Stelle des Völkerrechts, das Faustrecht an die Stelle der Menschenrechte. Wir fordern stattdessen: versetzt die Hochschulen personell und finanziell in die Lage, friedliche Konfliktlösungen zu erarbeiten, die die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigen.

Gegen diese Politiker:innen müssen wir uns auch mithilfe der Zivilklausel zur Wehr setzen. Denn die Zivilklausel steht stellvertretend für Grundrechte, für Menschenrechte, für den Frieden. In ihr kommt das Friedensgebot des Grundgesetzes zum Ausdruck, das aus dem NS-Regime und den zwei von Deutschland ausgehenden Weltkriegen gelernt hat. Die Zivilklausel konkretisiert auch die Menschenrechte. Wie das? Der UN-Sozialpakt sieht wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte u.a. das Menschenrecht auf Bildung vor. Das Recht auf Bildung ist danach auf die Würde des Menschen gerichtet, auf die Achtung der Menschenrechte. Es ist aber auch gerichtet auf die Förderung von Verständnis, Toleranz und Freundschaft unter allen Völkern, und auf die Unterstützung der Friedensarbeit der UN. Wir sagen ganz klar: Kriegsforschung zur Aufrechterhaltung der westlichen Hegemonie wendet sich gegen die Menschenwürde. Die Aufhebung der Zivilklauseln richtet sich gegen die Menschenrechte und das friedliche Zusammenleben der Völker. Wir fordern dagegen: Fördert Friedensforschung, wissenschaftlichen Austausch und Völkerverständigung statt Kriegsforschung!

Daher unterstützen wir auch die Frankfurter Erklärung zur Verteidigung der Zivilklauseln, die vor einem Monat von Wissenschaftler:innen und hochschulpolitisch Aktiven verabschiedet worden ist.

Dort heißt es:
Wir weisen die gegenwärtigen drastischen Versuche von Rüstungskonzernen und ihren politischen Wortführern in Bund und Ländern entschieden zurück, die öffentlichen Hochschulen für militärische Zwecke zu öffnen und die Zivilklauseln zu unterminieren, um Wissenschaft in den Dienst von Sicherheits- und  Geopolitik zu stellen. Wir wollen zivil für die kooperative Gestaltung einer friedlichen Welt arbeiten, lernen und forschen!

Lasst uns in diesem Sinn gemeinsam für eine friedensorientierte Bildung und Wissenschaft kämpfen!

Die Rede kann zum Nachlesen hier herunter geladen werden.