Ukrainische Angriffe auf das russische atomare Frühwarnsystem

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Die Ukraine hat am 26. Mai 2024 eine militärische Anlage angegriffen, die rund 1.500 Kilometer hinter den Frontlinien in Russland liegt. Damit sei ein Langstreckenrekord bei Drohnen aufgestellt worden, wie ein Mitarbeiter des ukrainischen Geheimdienstes am Montag in Kiew gegenüber der Ukrainskaja Prawda nicht ohne Stolz berichtete. Ziel war das Frühwarnradar »Woronesch M« nahe der Stadt Orsk an der Grenze zu Kasachstan, mit dem gleichzeitig bis zu 500 Flugobjekte in bis zu 8.000 Kilometer Entfernung geortet werden können. Bereits am 23. Mai hatten Drohnen eine Anlage vom Typ »Woronesch DM« beim südrussischen Armawir angegriffen und damit eines von insgesamt zehn »Woronesch«-Systemen zur strategischen Abwehr von Atomraketen zerstört. Der russische Senator Dmitri Rogosin kommentierte diese Angriffe im Internetportal ­rt.com wie folgt: „Wenn solche feindlichen Aktionen nicht gestoppt werden, wird ein unumkehrbarer Zusammenbruch der strategischen Sicherheit der Atommächte beginnen.“ Dazu wurde im britischen Telegraph der norwegische Militärexperte Thord Are Iversen mit den Worten zitiert: „Es liegt im Interesse aller, dass das russische Raketenwarnsystem gut funktioniert.“

Mit den Angriffen auf Teile des strategischen Abwehrsystems Russlands könnte Kiew gemeinsam mit den USA das Ziel verfolgen, einen nuklearen Präventivschlag Russlands zu provozieren, um die Russische Föderation als „Pariastaat“ für Jahrzehnte aus der modernen internationalen Gemeinschaft ausschließen zu können, wie der russische Militärexperte Wladislaw Schurygin erklärte: „Es liegt auf der Hand, dass der erste Einsatz von Atomwaffen seit dem Zweiten Weltkrieg zu einem Präzedenzfall auf globaler Ebene und dass das Land, das sie eingesetzt hat, in den Augen der Weltgemeinschaft zu einem Land würde, das alle denkbaren Verbote und Beschränkungen überwunden (…) und den nuklearen Geist aus der Flasche gelassen hat.“

Kursänderung

Nahezu zeitgleich hat der politische Westen – Deutschland wie gewohnt im Windschatten der USA – eine Kursänderung dahingehen vollzogen, Kiew den Beschuss militärischer russischer Ziele mit den von ihnen gelieferten Waffen zu gestatten, wobei das Risiko einer direkten Konfrontation Russlands mit der Nato von den selbsternannten deutschen Militärexperten heruntergespielt wird. Stattdessen fordern die Schreibtischkrieger der großen Berliner Koalition, für die keine atomare russische Doktrin zu existieren scheint, die Ukraine mit Waffen immer größerer Reichweite und Schlagkraft auszustatten, um ungeachtet der kommenden ukrainischen Niederlage die Kriegskosten für Russland in die Höhe zu treiben.

Dagegen berichtete das Informationsportal T-online unter Bezug auf einen Artikel der Washington Post vom 24. Mai, dass die russischen Streitkräfte inzwischen in der Lage seien, durch elektronische Kriegführung westliche Waffen „außer Gefecht“ zu setzen, was den österreichischen Militärexperten Markus Reisner nicht erstaunt: „Russland ist auf diesem Gebiet mittlerweile führend“, sagte Reisner. Der Westen habe größere Entwicklungen in dem Bereich „weitgehend verschlafen“, Russland hingegen „massiv“ investiert, weshalb bei den jüngsten ukrainischen Angriffe auf die Brücke von Kertsch und andere Ziele im russischen Hinterland ein knappes Dutzend US-amerikanischer ATACMS-Langstreckenraketen zum Stückpreis von bis zu 1,7 Mio. US-Dollar von der russischen Luftabwehr zerstört werden konnten.

Dmitri Ofizerow-Belski, ein leitender Wissenschaftler am IMEMO [Forschungsinstitut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften], vermutet, dass sich die Positionen in Washington mit der Zeit verschärfen werden: „Die jetzige Entscheidung wird das Gleichgewicht der Kräfte nicht verändern – die Ukraine wird auch weiterhin verlieren. Das bedeutet, dass Washington immer mehr eskalierende Entscheidungen treffen wird, um die Niederlage des Kiewer Regimes zu verhindern – denn jetzt sieht Washington diese Niederlage als eine größere Gefahr für die US-Interessen an als die Risiken einer direkten militärischen Konfrontation mit Moskau.“