„Keine Unterstützung für Völkerrechtsbruch!“

Gerhard Baisch (IALANA) am 16.11.2024 auf der Kundgebung „Für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel“

Seit einem Jahr tobt ein verheerender Krieg in Gaza, jetzt auch im Libanon und in der Westbank. Furchtbare Bilder erreichen uns: von zerstörten Hochhäusern mit Schuttbergen, unter denen zahllose Opfer tot oder lebendig begraben gestorben sind, von herumirrenden Familien auf der Suche nach Brot, Trinkwasser und Feuerholz. Allen steht der Schmerz um die umgekommenen Kinder und Familienangehörigen im Gesicht. Wir wissen, dass die Versorgung mit dem Nötigsten nicht mehr gesichert ist, dass Unzählige verhungern werden, wenn nicht in letzter Minute irgendwie Hilfe kommt.

Wir sagen: Das kann nicht sein, das muss enden – sofort! Mit uns protestieren weltweit Millionen …

Doch es endet nicht. Wo sind die internationalen Instanzen, die für den Erhalt des Friedens zuständig sind? Sie müssen doch eingreifen!

Der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen ist durch Vetos der USA blockiert, die Israel fast bedingungslos gegen jede Kritik unterstützen – moralisch, finanziell und militärisch, mit Unsummen für Munition und Gerät.

Nur e i n e Resolution des Sicherheitsrats kam zustande: am 25. März forderte der SR eine Waffenruhe für den Fastenmonat und die Aufhebung aller Hindernisse für humanitäre Hilfe in großem Umfang. Beides scheiterte.

Die Hoffnung ruht nun auf der UN-Vollversammlung. Die Staaten des globalen Südens haben hier eine klare Mehrheit: bereits Ende Oktober letzten Jahres fordert die Vollversammlung mit Zwei-Drittel-Mehrheit einen sofortigen Waffenstillstand. Am 10. Mai 2024 fordert sie demonstrativ den zuständigen Sicherheitsrat erneut auf, endlich Palästina als Vollmitglied in die UN aufzunehmen. Parallel verklagt Südafrika Israel beim IGH wegen Völkermords und Nicaragua die BRD wegen Unterstützung. Beim Internationalen Strafgerichtshof beantragt Chefermittler Khan Haftbefehle gegen drei Hamas-Führer, sowie Netanjahu und den Verteidigungsminister Galant, jeweils wegen Kriegsverbrechen im Gaza. So sind alle internationalen Instanzen damit befasst, dem Töten Einhalt zu gebieten und humanitäre Hilfe zu sichern. Bislang ziemlich erfolglos.

Denn: Israels Regierung missachtet alle Aufforderungen, selbst die einstweiligen Maßnahmen des Internationalen Gerichtshofes, und verfolgt stur seinen Plan weiter: den Gaza-Streifen in ein Trümmerfeld zu verwandeln, um ihn danach seinen Siedlern zu überlassen. Die Menschen dort interessieren Israel nicht.

2,2 Mio. Araber sind – auch Alte, Frauen und Kinder – alle „Hamas“. Sie sollen – eingesperrt auf engstem Raum – unter Bomben sterben, verhungern oder durch verdorbenes Wasser an Seuchen umkommen. Jedenfalls weg! Offensichtlich vorsätzliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einschließlich Völkermord.

Das ganze Ausmaß des Unrechts an den Palästinensern seit dem Krieg von 1967 wird zusammengefasst in dem Gutachten, das der IGH zur Rechtslage in Palästina neulich abgegeben hat. In den Worten des Gerichtspräsidenten:

„Israels anhaltender Missbrauch seiner Position als Besatzungsmacht durch die Annexion und die Behauptung einer ständigen Kontrolle über die besetzten palästinensischen Gebiete und die fortgesetzte Vereitelung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung verstößt gegen grundlegende Prinzipien des Völkerrechts und macht die Anwesenheit Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten rechtswidrig“.
 
Die Besatzung ist das Produkt „systematischer Diskriminierung, Segregation und Apartheid“, eine „de-facto Annexion“. Israel hat seine „gesetzwidrige Anwesenheit in den besetzten palästinensischen Gebieten so schnell wie möglich zu beenden“. Die Regierung muss sofort alle Siedlungsaktivitäten stoppen und alle Siedler aus den bestehenden Siedlungen evakuieren, ferner die „Rückkehr aller Palästinenser, die während der Besatzung vertrieben wurden, an ihren ursprünglichen Wohnort“ ermöglichen und alle Schäden ersetzen.

Die UN-Vollversammlung nahm das Gutachten im September mit Zwei-Drittel-Mehrheit an und verlangte von Israel, die 1967 besetzten Gebiete binnen Jahresfrist zu räumen. Weiter forderte sie ein Waffenembargo und Sanktionen gegen Israel. Unsere Regierung stimmte nicht für die Resolution, sie enthielt sich.

Israels Verachtung des Völkerrechts ist schon legendär. Über 200 Beschlüsse der UN-Gremien hat Israel nicht befolgt. Netanjahu erklärte jetzt zum IGH-Gutachten: „Das ist absurd! Das jüdische Volk ist kein Besatzer in seinem eigenen Land, auch nicht in unserer ewigen Hauptstadt Jerusalem oder in unserer historischen Heimat Judäa und Samaria“ (der Westbank). Man sieht die Landkarte vor sich, die er in der UN-Vollversammlung präsentierte: kein Palästina, „Israel – from the river to the see“. Und dann Gipfel der Provokation: Ende August zerreißt der israelische UN-Botschafter in der Vollversammlung theatralisch ein Exemplar der UN-Charta und verlangt, das UN-Gebäude solle geschlossen und von der Erdoberfläche getilgt werden. Netanjahu nennt die UN vom Rednerpult der Vollversammlung aus ein „Haus der Finsternis“ und „Sumpf aus antisemitischer Galle“. Viele fordern daher jetzt, der Sicherheitsrat solle Israel für einige Zeit aus der UNO ausschließen oder die Vollversammlung die Akkreditierung der UN-Delegation nicht anerkennen. EU-Chefdiplomat Borrell will jetzt den regelmäßigen politischen Dialog der EU mit Israel aussetzen.

Deutschland ist Vertragsstaat der Genfer Abkommen und der Zusatzprotokolle. Daher ist die Bundesregierung verpflichtet, die Einhaltung der Abkommen durchzusetzen, d.h. auch auf Israel einzuwirken, die humanitären Regeln und Beschränkungen seines Notwehrrechtes einzuhalten, auf unzulässige Methoden der Kriegsführung zu verzichten und die humanitären Lebensbedingungen der Bevölkerung Gazas sicherzustellen. Als Vertragsstaat der Völkermordkonvention darf Deutschland weder gegen die Konvention verstoßen noch andere Staaten dazu ermutigen oder ihre Verstöße dulden.

Die Bundesregierung dagegen unterstützt regelmäßig Positionen der israelischen Regierung in der Palästina-Frage, und das schon seit langem. Sie hat mit Israel die Anerkennung Palästinas als UNO-Staat bekämpft. Sie hat Palästinas Antragsberechtigung beim Internationalen Strafgerichtshof infrage gestellt. Auch jüngst die Zulässigkeit des Antrags Südafrikas gegen Israel wegen Völkermord. Im Gazakrieg hat sie 2023 die Rüstungsexporte nach Israel verzehnfacht. Der IGH hat sich einstweilige Maßnahmen gegen die BRD bei Wiederaufnahme von Waffenlieferungen an Israel vorbehalten. Daher wird jetzt Israel eine laue Erklärung abverlangt, gelieferte Güter nur völkervertraglich korrekt einzusetzen.

Die Bundesregierung ist stolz darauf, sich überall in der Welt für die Menschenrechte einzusetzen. Sie gelten universell und in Israel nicht nur für Juden. Sondern ebenso für Palästinenser. Davon hören wir wenig bis nichts von unserer Regierung! Aber Menschen sind Menschen, überall. Da gibt es keine Doppelstandards! Egal, welche Staatsräson behauptet wird. Sie kann nie über den Menschenrechten stehen, dem Recht auf Leben, auf hinreichende Ernährung, auf Gesundheit und Bildung.

Wir fordern von unserer Regierung: Schluss mit der einseitigen Parteinahme für Israel im Gazakrieg. Keine Unterstützung für Völkerrechtsbruch, für Apartheid und Völkermord.

2 thoughts on “„Keine Unterstützung für Völkerrechtsbruch!“

  1. Die Reden am Samstag 16.Nov. in Bremen haben mir alle drei gut gefallen. Wer war die dritte Rednerin? Gibt es eine Aufzeichnungen dazu?

    1. Vielen Dank!
      Die dritte Rednerin war Ivesa Lübben von der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft.
      Wir werden die Reden auf der Website veröffentlichen, und ein Video über die gesamte Veranstaltung ist in Arbeit und wird zum Nachhören schnellstmöglich ebenfalls online gestellt werden.

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