Ostermarsch 2025 Bremen – Redebeitrag 6: Bernd Fischen (Bremer Friedensforum)

Die freieste aller deutschen Hansestädte, in der wir heute auch versammelt sind, um gegen das „JA“ des Bremer Senats zur Grundgesetzänderung und zur grenzenlosen Aufrüstung der Bundeswehr zu protestieren …

… diese ach so freie Hansestadt ist gesegnet mit einer Zeitung, die eine herausragende Rubrik für friedenspolitisch kluge Leserbriefe unterhält, zugleich aber auch versucht, uns mit der Dämonisierung alles Russischen um den Verstand zu bringen.

Zum Beispiel in der Online-Ausgabe vom 24. November 2024, in der der Historiker Karl Schlögel unter der Tot-Schlag-Zeile „Russland ist der Feind“ die Frage stellen durfte, „ob wir aktuell den Gefahren ins Auge schauen oder ob wir einknicken und kapitulieren werden.

Knapp 80 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht wird also die Angst geschürt, „WIR“ könnten nach 1918 und 1945 zum dritten Mal kapitulieren.

Und mit dieser Angst im Nacken sollen wir, soll die deutsche Bevölkerung, soll vor allem die nachwachsende Generation in den nächsten Krieg gegen Russland getrieben werden.

Dabei ist die kriegslüsterne Kriegstüchtigkeit noch die Geringste aller deutschen Tugenden. Die höchste wurde von dem Althistoriker Egon Flaig am 11. März 2025 im Feuilleton der FAZ mit dem bemerkenswerten Satz gefeiert: „Wer für eine politische Gemeinschaft das Leben zu opfern bereit ist“, habe Anspruch auf „das ehrende Gedenken für die Gefallenen, die ehrende Anerkennung der Veteranen und die Achtung vor der beschworenen Todesbereitschaft.

„Dulce et decorum est pro patria mori“

Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben.

Über die Bereitschaft, mit Begeisterung in die Schlacht zu ziehen, hat Bertolt Brecht eine Parabel verfasst, mit der die heutige Kundgebung, leicht aktualisiert, beendet werden soll.

„Wenn die Haifische Menschen wären“, wurde Herrn X. von der kleinen Tochter seiner Wirtin gefragt, „wären sie dann netter zu den kleinen Fischen?“

„Sicher“, sagte Herr X. „Wenn die Haifische Menschen wären, würden sie im Meer für die kleinen Fische gewaltige Kästen bauen lassen, mit allerhand Nahrung drin, sowohl Pflanzen wie auch Tierzeug. Sie würden dafür sorgen, dass die Kästen immer frisches Wasser hätten, und sie würden überhaupt allerhand sanitäre Maßnahmen treffen. Wenn zum Beispiel ein Fischlein sich die Flosse verletzen würde, dann würde ihm sogleich ein Verband gemacht, damit es den Haifischen nicht wegstürbe vor der Zeit.

Damit die Fischlein nicht trübsinnig würden, gäbe es ab und zu große Wasserfeste; denn lustige Fischlein schmecken besser als trübsinnige. Es gäbe natürlich auch Schulen in den großen Kästen. In diesen Schulen würden die Fischlein lernen, wie man bequem in den Rachen der Haifische schwimmt. Sie würden auch Geographie brauchen, damit sie die großen Haifische, die faul irgendwo herumliegen, finden könnten. Die Hauptsache wäre natürlich die moralische Ausbildung der Fischlein. Sie würden unterrichtet werden, dass es das Größte und Schönste sei, wenn ein Fischlein sich freudig aufopfert, und dass sie alle an die Haifische glauben müssten, vor allem dann, wenn diese sagten, sie würden für eine schöne Zukunft sorgen. Man würde den Fischlein beibringen, dass ihre Zukunft nur gesichert sei, wenn sie gehorsam sind.

Vor allen niedrigen, materialistischen, egoistischen oder marxistischen Neigungen müssten sich die Fischlein hüten und es sofort den Haifischen melden, wenn eines von ihnen solche Neigungen verriete.

Wenn die Haifische Menschen wären, würden sie natürlich auch untereinander Kriege führen, um fremde Fischkästen und fremde Fischlein zu erobern. Die Kriege würden sie natürlich von ihren eigenen Fischlein führen lassen. Sie würden die Fischlein lehren, dass zwischen ihnen und den Fischlein der anderen Haifische ein riesiger Unterschied bestehe. Die Fischlein, würden sie verkünden, sind bekanntlich stumm, aber sie schweigen in ganz verschiedenen Sprachen und könnten einander unmöglich verstehen. Jedem Fischlein, das im Krieg ein paar andere Fischlein, feindliche, in anderer Sprache schweigende Fischlein tötete, würden sie einen kleinen Orden aus Seetang anheften und den Titel Held verleihen.

Wenn die Haifische Menschen wären, gäbe es bei ihnen natürlich auch eine Kunst. Es gäbe schöne Bilder, auf denen die Zähne der Haifische in prächtigen Farben, ihre Rachen als reine Lustgärten, in deren es sich prächtig tummeln lässt, dargestellt wären. Die Theater auf dem Meeresgrund würden zeigen, wie heldenmütige Fischlein begeistert in die Haifischrachen schwimmen und die Musik dazu wäre so schön, dass die Fischlein unter ihren Klängen, die Kapelle voran, träumerisch und in angenehmste Gedanken eingehüllt, in die Haifischrachen strömten. Auch eine Religion gäbe es da, wenn die Haifische Menschen wären. Sie würde lehren, dass die Fischlein erst im Bauch der Haifische richtig zu leben begännen. Dann würde es auch aufhören, dass alle Fischlein gleich sind. Einige von ihnen würden Ämter und Posten bekommen und über die anderen gesetzt werden. Die mit den Posten dürften dann auch die kleineren fressen, wären aber auch verpflichtet, für Ordnung unter den Fischlein zu sorgen.

Kurz, es gäbe überhaupt erst eine Kultur im Meer, wenn die Haifische Menschen wären.“

 

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