Ein Meinungsbeitrag vom Bremer Friedensforum:
Die zentrale Überschrift der DGB – Erklärung verspricht viel:
Für eine Politik der Friedensfähigkeit! Nie wieder Krieg – in Deutschland, Europa und weltweit!
Der DGB verzichtet seit einigen Jahren darauf, an die Geschichte des Antikriegstages zu erinnern. Mit dem Überfall der faschistischen deutschen Wehrmacht auf Polen begann der 2. Weltkrieg in Europa. Daran zu erinnern halte ich für unabdingbar, weil sich daraus für uns die Verantwortung für eine friedliche Zukunft ableitet. Warum wird nicht mehr daran erinnert?
Im Zusammenhang mit der UN-Gründung eine „regelbasierte Ordnung“ zu zitieren, verwundert. Ist diese Formulierung doch eine Erfindung der NATO-Staaten und ihrer Verbündeten. Dieser Begriff ist ist völkerrechtlich von den Staaten der Welt, die sich in der UN zusammen geschlossen haben, in keiner Weise legitimiert. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten sich die Autoren der DGB – Erklärung eindeutig auf die UN-Charta beziehen.
Dass immer mehr Länder von Kriegen “heimgesucht werden“ ist eine Verschleierung der tatsächlichen Verantwortung. Den Großteil dieser Kriege haben die USA mit mehr oder weniger Unterstützung ihrer Verbündeten verursacht. Auch die BRD hat sich an völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligt, z.B. bei der Zerstörung Jugoslawiens.
Als Friedensbewegung verurteilen wir den Einmarsch der Russen in die Ukraine.
Aber wir lehnen die Doppelmoral ab, die Kriege nur verurteilt, wenn sie vom strategischen Gegner ausgehen.
Mündigen Bürgern und Bürgerinnen, erst recht Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen ist die Wahrheit zuzumuten, dass die USA ca. 70% und die BRD ca. 30 % aller Waffen in die Kriegsgebiete Ukraine und Palästina liefern. Wer glaubhaft die Opfer beklagen will, sollte einen sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen in Kriegsgebiete fordern.
Dass wir die „Wiedergeburt einer verhängnisvollen Denk- und Handlungslogik in den internationalen Beziehungen erleben“, würden wir als Friedensbewegung gerne konkret machen. In den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesrepublik steht klar und deutlich, dass Deutschland für den Zugriff auf Ressourcen und die Sicherung der Transportwege auch militärische Mittel nicht ausschließt. Das ist nichts anderes als das in der Erklärung verurteilte Recht des Stärkeren. Die Behauptung, Deutschland sei ein Spielball, ein Opfer rivalisierender Großmachtinteressen, verschweigt die ökonomische und politische Macht Deutschlands und die Rolle, die Deutschland in der EU spielt. Die Bundesregierung mit ihrem Außen- und Verteidigungsminister beansprucht ein global player zu sein. Sie fordert, die BRD müsse stärkste Militärmacht in Europa werden. Warum und wozu?
Der Protest des DGB gegen die 5% – Forderung der NATO fällt sehr bescheiden aus und bleibt vage. Wie viel mehr Geld für Rüstung und Krieg soll die BRD denn nach Meinung des DGB ausgeben? Angesichts der schon bisher bestehenden vielfachen militärischen Überlegenheit der EU und erst recht der NATO gegenüber Russland wären doch da mal Zahlen interessant.
Der Bitte des DGB an die Regierung, dass zusätzliche Rüstungsausgaben nicht zu Lasten des Sozialhaushalts gehen sollen, hat der Chef des Ifo-Instituts Fuest bereits klar und deutlich eine Absage erteilt. Er nannte das eine Forderung nach einem „Schlaraffenland“. Die aktuellen Haushaltspläne der Regierung zeigen, wohin die Reise geht. Einsparungen gibt es fast ausschließlich im sozialen Bereich, bei Bildung, Gesundheit, Wohnen, Umwelt usw. Auch für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe gibt es immer weniger Geld, dafür aber mehr für Frontex und die militärische Abschirmung der Festung Europa.
Die Erklärung des DGB verschweigt auch die Profiteure der Aufrüstung. Wie sagte doch Papperger, der Chef von Rheinmetall: „Ich bin sehr zufrieden mit unserem Verteidigungsminister, und ich bin auch sehr zufrieden mit dem, was der Kanzler im Augenblick macht.“ Die Rheinmetall-Aktie steigt und steigt.
Die BRD hat einen Kanzler, der sich konsequent für einen Aufrüstungskurs zu Lasten der Mehrheit der Bevölkerung einsetzt. In seinem Buch „Mehr Kapitalismus wagen“ hat er sein Programm des verschärften Sozialabbaus vorgelegt. Nicht erst seit dem Antritt der aktuellen Regierung geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Diese Entwicklung nimmt nun an Fahrt auf. Krise ist angesagt: Wirtschaft, Energie, Arbeitsmarkt, Umwelt, Rechtsentwicklung… Mit freundlichen Bitten des DGB wird es keine Verbesserungen für die Mehrzahl der Menschen geben.
Statt die Sparpolitik im eigenen Land deutlich zu kritisieren, lenkt der DGB ab und warnt vor der
„militärischen Bedrohung durch Russland“ und durch „das autokratische China“.
Hier kommt noch einmal die Erinnerung an den 1. September ins Spiel. Mit etwas Geschichtsbewusstsein über die deutschen Verbrechen, gerade gegenüber den Völkern der Sowjet-Union mit 27 Millionen Opfern des faschistischen Feldzuges „Barbarossa“, könnte der Autor der DGB-Erklärung vielleicht etwas weniger nassforsch von der militärischen Bedrohung durch Russland reden. In der Geschichte war Deutschland der Aggressor. Russlands Angst vor der Bedrohung aus dem Westen ist nicht von der Hand zu weisen. Vor allem, wenn man bedenkt, wie wortbrüchig der Westen gegenüber Russland in den letzten Jahrzehnten war.
Wer nicht von der Militarisierung der Gesellschaft sprechen will, sagt auch nichts zur geplanten Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Die Kasernierung von geplant mehr als 250 000 Soldaten und Soldatinnen entzieht nicht nur dem zivilen Sektor Arbeitskräfte Damit wird auch dem Prinzip des Gehorsams wieder höchste Bedeutung zuerkannt, was fundamental allen demokratischen Überzeugungen zuwider läuft. Dass das Militär eine Spielwiese für Rechtsradikale ist, ist keine Unterstellung, sondern vielfach belegt. Es passt zum Bild, dass es in der Bundeswehr neue Erlasse zur Traditionspflege gibt, wo die Nazi-Militärs als selbstverständlicher Teil der Geschichte der Bundeswehr geehrt werden. Die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht wird die Militarisierung der gesamten Gesellschaft voran treiben. In wie vielen Familien wird es junge Männer und Frauen geben, die Töten und Sterben als normalen Job ansehen? Die Älteren unter uns sollten alles tun, um klar zu machen: Nein, unsere Kinder und Enkel geben wir nicht!
Fazit: Die Erklärung zum 1. September enthält am Anfang und am Ende wichtige Forderungen nach Friedensfähigkeit. Sie entspricht damit der Position vieler Mitglieder, die in der Gewerkschaft eine Friedenskraft sehen und auch künftig sehen wollen. Was im DGB-Grundsatzprogramm festgehalten ist, die „Ablehnung militärischer Gewalt als Mittel internationaler Politik“ und das Eintreten für „eine allgemeine und weltweite, kontrollierte Abrüstung, für die Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der Völkerverständigung“ entspricht nach wie vor der Überzeugung der meisten Gewerkschaftsmitglieder.
Dem widerspricht der Innenteil der Erklärung. Hier wird eine Rolle rückwärts gemacht im Sinne von „Frieden schaffen mit immer mehr Waffen“. Dieser Teil toleriert die aktuelle Aufrüstungspolitik der Bundesregierung und benutzt die gleichen Argumente. Von Widerstand gegen Kriegstüchtigkeit und Sozialabbau ist nicht die Rede.
Die Erklärung des DGB zum 1. September 2025 schließt:
„Es ist höchste Zeit für eine Rückbesinnung auf die Werte der Charta der Vereinten Nationen und die Prinzipien der KSZE-Schlussakte von Helsinki! Friedensfähig zu sein, ist das Gebot der Stunde!“
Dem kann man nur zustimmen. Ob es ernst gemeint ist, frage ich mich.
Wirkmächtig wird dieser Satz nur werden, wenn Friedensbewegte gemeinsam dafür auf die Straße gehen.
Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!
Für Frieden, Abrüstung und soziale Gerechtigkeit!