Pressemitteilung vom 25. Oktober 2023: Bahnwerkstatt und sowjetisches Gräberfeld

Pressemitteilung vom 25. Oktober 2023

Petitionsausschuss sieht keine Möglichkeiten den Anliegen zu entsprechen

Bürgerinitiative ist inhaltlich und finanziell gut gerüstet für langwierigen Rechtsstreit.

Mit Beschluss der Bremischen Bürgerschaft vom 13.10.2023 wurden die beiden Petitionen S 20-203 (keine Bahnwerkstatt in Oslebshausen) sowie S 20-205 (Einrichtung einer NS-Zwangsarbeiter:innen Gedenkstätte in Bremen-Oslebshausen) abgelehnt und für erledigt erklärt (Drs. 21/44 S). Beide Petitionen wurden bereits im Mai 2021 gestellt und wenden sich gegen die Bebauung eines Geländes in Bremen- Oslebshausen mit einer Bahnwerkstatt. Die Bürgerinitiative Oslebshausen und umzu hat frühzeitig gemeinsam mit dem Bremer Friedensforum darauf hingewiesen, dass auf der Projektfläche der Bahnwerkstatt ein Zwangsarbeiterfriedhof angelegt war. Die aufgrund der Hinweise der beiden zivilgesellschaftlichen Organisationen vom Bremer Senat in Auftrag gegebenen archäologischen Grabungen kamen zu dem Ergebnis, dass insgesamt 66 vollständige Skelette sowie tausende von Knochenfragmenten sowjetischer Zwangsarbeiter gefunden wurden. Über den Verbleib von etwa 300 dort bestatteten Zwangsarbeitern besteht nach wie vor Unklarheit.

Neben dem aus Sicht von Friedensforum und Bürgerinitiative unbefriedigendem Ergebnis der Beschlüsse der Bürgerschaft kritisieren beide Organisationen die lange Verfahrensdauer. „Warum man insgesamt 2 ½ Jahre benötigt, um über diese Petitionen zu befinden, erschließt sich den Bürger*innen nicht. Inzwischen hat die Planfeststellung begonnen und hierdurch sind bereits Fakten geschaffen worden“, bemerkt Dieter Winge von der Bürgerinitiative Oslebshausen. „So beschädigt man demokratische Institutionen und die Bürger*innen fühlen sich zu Recht in ihren Rechten missachtet“ ergänzt Ekkehard Lentz vom Bremer Friedensforum.

Die Petition S 20-205 fordert, dass auf dem ehemaligen Friedhofsareal auf den Bau einer Bahnwerkstatt verzichtet wird und stattdessen eine angemessene Stätte des Gedenkens für die Opfer des Zwangsarbeitereinsatzes im dritten Reich geschaffen wird. Für Ekkehard Lentz war die Ablehnung der Petition erwartbar: “Das Mindeste jedoch wäre eine Aussage des Senats, dass der bisherige Umgang mit der Reitbrake in keiner Weise dem von Antifaschisten geforderten Umgang mit den Verbrechen der Naziherrschaft entsprochen hat.“

Zugestanden wird BI und Friedensforum jedoch nun offenbar eine Mitsprachemöglichkeit bei der Konzeption eines Gedenkortes im sog. Klimawald Oslebshausen, der nördlich der geplanten Bahnwerkstatt entstehen soll. Bisher war ausschließlich die Rede von einer zentralen Gedenkstätte auf dem Osterholzer Friedhof; die jetzigen Planungen, auch nahe dem Ort des Geschehens eine Gedenkstätte zu schaffen, begrüßen BI und Friedensforum ausdrücklich und erwarten, dass diese Planungen auch tatsächlich umgesetzt werden.

Auch für die Bürgerinitiative Oslebshausen war die Ablehnung der Petition, die sich gegen den Standort Reitbrake für die notwendige Bahnwerkstatt richtet, zu erwarten. „Politik und Verwaltung haben von Beginn an alle guten Argumente gegen diesen Standort komplett ignoriert und ihre Planungen kompromisslos durchgezogen. Man hat es außerdem versäumt, für einen Plan B zu sorgen, falls der Standort Reitbrake noch gekippt werden sollte“, sagt BI-Sprecher Dieter Winge und setzt fort: „Wir sind fest entschlossen, den Standort Oslebshausen über den gerichtlichen Weg zu kippen. Wir haben inzwischen die wirtschaftlichen und inhaltlichen Voraussetzungen für eine Klage geschaffen und sind auch sehr optimistisch, dass es nicht zum Bau an diesem Standort kommen wird. Da es die Stadt versäumt hat, für einen alternativen Standort zu sorgen, wird hier durch Fehlplanung grob fahrlässig ein wichtiger Bestandteil der dringend notwendigen Verkehrswende aufs Spiel gesetzt.“

HINTERGRUND
Der französische Schienenfahrzeughersteller Alstom beabsichtigt mit Unterstützung des Bremer Senats eine Bahnwerkstatt mit Abstellanlage in Bremen-Oslebshausen bis zum Jahr 2024 auf dem Gelände zu errichten. Die Investition ist Teil eines 760 Millionen Euro schweren Auftrags.

Noch im Jahr 2012 sollte auf der Brache der Hafenbahn eine „Grüne Pufferzone“ eingerichtet werden, um die städtebaulichen Missstände zu beheben und die die Konflikte zwischen dem Wohngebiet in Oslebshausen und dem Industriehafen zu entschärfen (Link).

Angesichts der Auseinandersetzungen um die Ansiedlung der Klärschlammverbrennungsanlage versprachen die Regierungsparteien den Menschen in Oslebshausen in der 2019 geschlossenen Koalitionsvereinbarung (Link): „Wir stellen sicher, dass es vor Ort keine zusätzliche geruchliche Belästigung für die Bevölkerung gibt und dass der Stadtteil durch Maßnahmen in den Bereichen Müll, Verkehr und Lärm entlastet wird.“ Bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Koalitionsvereinbarung verhandelten Beamte des Hafen- und des Verkehrsressorts die Ansiedlung der Bahnwerkstatt an diesem Standort.

Zur Bürgerinitiative Oslebshausen und umzu.
Wir sind Anwohnerinnen und Anwohner von Grambke, Gröpelingen und Oslebshausen und setzen uns für die Lebensqualität in unserem Stadtteil ein.
Als Bürgerinnen und Bürger eines überparteilichen Bündnisses machen wir gezielt auf unsere Belange aufmerksam. Von der Politik fordern wir, sich intensiver mit den Belangen unseres Stadtteils zu befassen. Wir wollen beitragen, ökologische
und soziale Lösungsalternativen für die drängenden Probleme unseres Wohnorts zu finden.

Pressekontakt: Dieter Winge – Tel.: 0179 379 6615 – Mail: info@bi-oslebshausen.de

 

Bei uns kommt keine Freude auf: Zur Ansiedlung des schwedischen Marinerüstungskonzerns Saab in Bremen

Unter dem trendigen „Zeitenwende“-Vorwand einer behaupteten Bedrohung im Ostseeraum durch Russland und den 100 Milliarden „Sondervermögen“ im Rücken, setzt die deutsche Marine – ganz im Sinne der Ampel-Bundesregierung – ihre schon seit Jahren forcierte Aufrüstung fort, nun auch zusammen mit dem schwedischen Rüstungskonzern SAAB.

SAABs Sparte Naval Systems soll zusammen mit der Lemwerder Werft Abeking & Rasmussen und ESG (Elektroniksystem- und Logistik-GmbH) vier Fregatten der Deutschen Marine mit neuer Technik ausrüsten (Foto: Die Emden“ – Klasse 130 – im Hamburger Hafen 2022). Die Emden wurde auf der HWD Werft in Hamburg zwar fertiggestellt, aber wegen IT-Problemen (Hackeranfälligkeit) wird ihre Einsatzfähigkeit noch zwei Jahre auf sich warten lassen müssen. Neben dem Standort in Wilhelmshaven will SAAB nun auch eine Dependance in Bremen am alten Neustädter Güterbahnhof aufbauen, mit lauthals versprochenen 100 Arbeitsplätzen. Bremens Senat und seine Wirtschaftssenatorin Vogt freuen sich über die Ansiedlung. Dabei gäbe es so viele sinnvolle Produkte und Dienstleistungen im Kita-, Bildungs- und Gesundheits- und Wohnungsbereich, wie auch in der maroden Bremer Infrastruktur, für die das Know-How der Beschäftigen weitaus besser eingesetzt werden könnte.

Ekkehard Lentz (aufstehen Bremen und Bremer Friedensforum) kommentiert auf Twitter: „Orientiert sich der Senat nicht [mehr] an den globalen Nachhaltigkeitszielen der UN, Frieden und Gerechtigkeit zu wahren? Offensichtlich besteht kein Interesse an einem Abbau der Rüstungsproduktion und an einer restriktiven Rüstungsexportpolitik. Wirtschaftssenatorin Vogt gehörte vor zwölf Jahren zu den Herausgeberinnen des Buches „Rüstungsstandort Bremen“, in dem die regionale Rüstungsbranche kritisch unter die Lupe genommen wurde. [Download: Broschüre „Rüstungsstandor an der Weser“] Kriege beginnen hier. Offensichtlich alles vergessen…“

Im Hintergrund spielten sich vor Jahren (2014) allerdings schon heftigste Konflikte zwischen deutschen und schwedischen Marinekonzernen ab. Thyssen Krupp Marine Systems musste auf Anweisung aus Stockholm seine damals gerade erworbenen Schiffbautöchter an den drei Standorten Malmö, Karlskrona und Muskö, mit zuletzt rund 900 Beschäftigten, an den Rüstungskonzern Saab AB abverkaufen. Schwedens nationale Interessen wäre bedroht, hieß es.

Die Rüstungssparte von Thyssen Krupp könnte demnächst abgespalten werden, berichtete NTV am 9.4.2023: „Marine Systems ist ein Juwel – das bei Thyssenkrupp bisher allerdings etwas unter Wert lief“, sagte Burkhard der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Auftragsbücher und Produktionshallen seien gut gefüllt. Bei der angestrebten Verselbständigung von Marine Systems sind nach seinen Worten unterschiedliche Szenarien denkbar. Als Beispiel nannte Burkhard einen Spin-off. In dem Fall würden die Aktionäre von Thyssenkrupp Anteile an einem neuen, werthaltigen Unternehmen bekommen. Die grüne Transformation der Stahlsparte benötige immense Ressourcen, führte Burkhard aus. Zugleich brauche Marine Systems Wachstumsinvestitionen. Alles gleichzeitig gehe nicht.“

Bei der Aufrüstung der K 130 Korvetten geht es auch um die Lieferung und Einbau der von SAAB und der Rüstungsfirma DIEHL zusammen geplanten „Mark-3-Version des schweren Seezielflugkörpers“.

Die Marinebranche brummt, dank des 100 Milliardenprogramms der Bundesregierung. Anfang Mai 2023 fand eine große Unterwasser-Marinerüstungsmesse in Rostock statt, die «Undersea Defence Technology» (UDT). Veranstalter war die Firma Clarion Defence and Security. 70 Aussteller kamen: Rheinmetall, Atlas Elektronik, Thyssenkrupp Marine Systems, Saab Technology, Hensoldt, Rolls-Royce Solutions, Kongsberg, Damen Naval, Babcock und viele mehr. In Radio Nordseewelle hieß es dazu: „Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat die europäische Sicherheitsarchitektur erschüttert. Die Welt sei seit dem Frühjahr 2022 nicht stabiler geworden, sagt Jon Pentreath, Senior Marine-Berater bei Clarion Defence and Security und Royal-Navy-Konteradmiral in Ruhestand. Auch wenn der Krieg in der Ukraine vor allem an Land geführt werde, dürfe die maritime Flanke nicht vergessen werden. Die Wege über das Schwarze Meer seien wichtig für die Lebensmittelversorgung und müssten offen gehalten werden. Der deutsche Konteradmiral und Stabschef des Marinekommandos in Rostock, Axel Deertz, geht in seiner Keynote auch auf die Anschläge östlich der Insel Bornholm auf die Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 von Russland nach Deutschland im September vergangenen Jahres ein. Der Schutz strategisch wichtiger Infrastrukturen auf See wie Pipelines, IT-Kabel, Offshore-Windparks oder Erdöl- und Erdgasplattformen sei von «erheblicher Bedeutung».

… Keine 200 Meter entfernt von der UDT herrscht eine ganz andere Stimmung. Dort sind weder Männer in Uniformen noch Anzugträger mit Krawatte oder Damen im Hosenanzug anzutreffen. «Bundeswehr abschaffen», «Stoppt den Waffenhandel» und «Smash Patriarchy» (Patriarchat zerschlagen) steht auf den Schildern des Protestcamps mit acht kleinen und einigen größeren Zelten. 15 Aktivisten der Initiative «UDT entwaffnen» sind dort versammelt. Sie wollen der aus ihrer Sicht «maritimen Kriegsvorbereitung» in der Messehalle ein Konzept friedlicher Konfliktlösungen entgegenstellen.“