
Mit diesem (Voltaire zugeschriebenen) Bonmot konnten sich westdeutsche Politiker, solange es die DDR noch gab, als Teil einer Gesellschaft präsentieren, in der die Meinungsfreiheit geschützt und garantiert war.
Das war sie natürlich nicht, wie erstens das KPD-Verbot von 1956 mit der Inhaftierung zahlreicher Kommunisten; zweitens der „Radikalenerlass“ von 1972 mit zahlreichen Berufsverboten für Lehrerinnen und Lehrer sowie Angestellte des öffentlichen Dienstes; und drittens die Stasi-Hysterie mit Massenentlassungen und massenhafter öffentlicher Denunziation gezeigt haben. Im Prinzip – soll heißen: auf dem Papier – hat sich aber nichts geändert:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.“ ( Artikel 5 Grundgesetz, Abs. 1)
Nur leider können sich Journalisten und Publizisten nicht mehr auf das deutsche Grundgesetz oder vergleichbare europäische Gesetze berufen, wenn sie vom Europäischen Rat sanktioniert werden und nicht mehr in der Lage sind, über ihre Bankkonten zu verfügen, wobei sich wegen „Sanktionsumgehung“ strafbar macht, wer ihnen finanziell unter die Arme greift. Die Sanktionierten dürfen noch nicht einmal das Land verlassen, in dem sie gerade leben, um innerhalb Europas zu reisen. Wie der in Belgien lebende Schweizer Autor Jacques Baud, der nicht mehr in die Schweiz fahren oder fliegen kann, weil er als „Sprachrohr der russischen Propaganda“ einem Zustand der Recht- und Mittellosigkeit unterworfen wurde.
„Die EU wird zunehmend nervös, weil ihre Pro-Ukraine- und Anti-Russland-Politik zum Desaster zu werden droht. Die Institutionen und Staaten sind offenbar so instabil, dass die europäische Bevölkerung nun nicht nur durch Verbot zahlreicher russischer Medien und Journalisten geschützt werden muss, sondern auch durch Sanktionierung westeuropäischer Journalisten und Autoren, die EU- und Nato-kritische Informationen liefern“, schreibt Florian Rötzer am 19. Dezember 2025 im Overton Magazin. „Im Mai wurden so die in Russland lebenden Deutschen Thomas Röper und Alina Lipp auf die Sanktionsliste gesetzt. In der neuen Sanktionsliste vom 15. Dezember wird nun auch der Schweizer Jacques Baud geführt, ein Bestsellerautor, ehemaliger Offizier der Armee und Analyst des Schweizer Geheimdienstes, Mitarbeiter der Vereinten Nationen und der Nato in der Ukraine. Vorgeworfen wird ihm, „Sprachrohr für prorussische Propaganda“ zu sein und „Verschwörungstheorien zu verbreiten“.
Nachdem die Trump-Regierung ernsthafte Versuche unternimmt, den Konflikt auch unter Berücksichtigung russischer Sicherheitsinteressen zu beenden, richtet die Elite der Europäische Union ihre verzweifelte Wut gegen Einzelpersonen, denen zwar nichts Illegales nachgewiesen werden kann, die aber persönlich verantwortlich gemacht werden „für Handlungen oder politische Maßnahmen, die der Regierung der Russischen Föderation zuzurechnen sind und die die Stabilität oder die Sicherheit in einem Drittland (Ukraine) untergraben oder bedrohen“, ganz gleich, ob sie in russischem Auftrag handeln oder nicht.
Zur Durchsetzung auch innerstaatlicher Sanktionen werden nach den Bestimmungen des Europäischen Rates „sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum von natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen gehalten oder kontrolliert werden, eingefroren.“ Zudem ergreifen die Mitgliedstaaten der EU „Maßnahmen, die erforderlich sind, um zu verhindern, dass in Anhang I aufgeführte natürliche Personen in ihr Hoheitsgebiet einreisen oder durch ihr Hoheitsgebiet durchreisen.“
Begründet werden die Sanktionen mit „anhaltenden böswilligen Aktivitäten Russlands als Teil umfassender, koordinierter und langjähriger hybrider Kampagnen, die darauf abzielen, die Sicherheit, Resilienz und demokratischen Grundlagen der Union, ihrer Mitgliedstaaten und ihrer Partner zu bedrohen und zu untergraben“.
Dazu erklärte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Giese, es sei nun „klargeworden, dass Menschen, die Desinformation verbreiten, sanktioniert werden können“, sofern die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien und der Rat der Europäischen Union einen entsprechenden Beschluss fasse. Dies werde weiterhin geschehen und sei auch in der Vergangenheit geschehen. Giese wörtlich:
„Alle, die auf diesem Feld unterwegs sind, müssen damit rechnen, dass es auch ihnen passieren kann.“
Für ein solches Vorgehen gibt es Begriffe wie Ächtung, Verfemung oder Bann, die umgangssprachlich kaum noch eine Rolle spielen, da sie aus Zeiten feudaler Machtausübung stammen und nur im Vollbesitz herrschaftlicher Willkür verhängt werden konnten. Mit ihren Sanktionslisten bringt die EU wie selbstverständlich auch solche (spät) – mittelalterlichen Konzepte gegen rechtsstaatliche Prinzipien in Stellung.
Über die Ziele der Sanktionen äußert sich der EU-Abgeordnete Michael von der Schulenburg (BSW) im Gespräch mit Pascal Lottaz (Neutrality Studies) aus der Perspektive der potenziell Betroffenen. Das Gespräch ist über 48 Minuten sehenswert und wirft ein Licht auf eine Institution, die einmal als demokratische Friedenshoffnung für Europa, 2012 sogar als Friedensnobelpreisträgerin, gefeiert wurde:
„Es ist am Ende eine Warnung an uns alle, mich eingeschlossen. Ich meine, wir könnten alle wegen fragwürdiger Dinge sanktioniert werden, und das im Grunde nur, weil wir gegen diese Kriegspolitik der EU sind.“ (Link zu youtube: https://www.youtube.com/watch?v=EjPqSSpOUqU )
Vergessen wir also nicht, wer uns vor uns selbst beschützt:
„Freedom of speech is the foundation of our strong and vibrant European democracy. We are proud of it. We will protect it. Because the @EU_Commission is the guardian of our values.“
„Die Meinungsfreiheit ist das Fundament unserer starken und lebendigen europäischen Demokratie. Wir sind stolz darauf. Wir werden sie schützen. Denn die @EU_Commission ist die Hüterin unserer Werte.“ (Ursula von der Leyen am 24.12.2025 auf X)