von Johannes Feest (Humanistische Union)
Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen (IGH) hat Israel in einem umfassenden Rechtsgutachten aufgefordert, die Besetzung der palästinensischen Gebiete „so schnell wie möglich“ zu beenden und vollständige Wiedergutmachung für seine „völkerrechtswidrigen Handlungen“ zu leisten. In einer historischen, wenn auch nicht bindenden Stellungnahme stellt das Gericht zahlreiche Verstöße Israels gegen das Völkerrecht fest. Es ist leider zu erwarten, dass die gegenwärtige Regierung des Staates Israel dem Rechtsgutachten des höchsten Gerichts der Vereinten Nationen nicht folgen und sich damit international weiter isolieren wird. Umso mehr müsste sich die Bundesrepublik nach Art. 25 GG daran halten.
Wer in Deutschland solche Meinungen äußert, musste es sich bisher gefallen lassen, als „Antisemit“ bezeichnet zu werden. Dieser Vorwurf wurde nicht zuletzt von den Antisemitismusbeauftragten des Bundes und der Länder erhoben und führte zur Verweigerung von Veranstaltungen in öffentlichen Räumen. Dass darin ein eklatanter Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) liegt, wurde zwar in einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.01.2022 festgestellt. Nach wie vor sind jedoch die zugrundeliegenden Vorgaben (IHRA-Definition von Antisemitismus, BDS-Beschluss des Bundestages etc.) nicht zurückgenommen worden, die zur Diskriminierung bei der Kulturförderung, in der Polizeipraxis und Strafverfolgungspraxis herangezogen werden.
Als älteste deutsche Bürgerrechtsorganisation fordern wir die in unserem Lande Verantwortlichen dazu auf, die Aussagen des IGH und der Entscheidung des BVerwG zum Anlass für einen Kurswechsel nehmen. Insbesondere muss klargestellt werden, dass eine sachgerechte Kritik am Staat Israel kein Antisemitismus sein kann. Das würde auch dazu beitragen, den in unserer Gesellschaft tatsächlich praktizierten Antisemitismus besser zu bekämpfen.